Kleinste deutsche Landeskirche vor großen Umbrüchen Evangelische Landeskirche Anhalts setzt weiter auf Eigenständigkeit
28.05.2018 · Dessau-Roßlau. Trotz sinkender Mitgliederzahlen will die kleinste evangelische Landeskirche Deutschlands an ihrer Eigenständigkeit festhalten. Kirchenpräsident Joachim Liebig sagte in seinem Bericht an die in Dessau-Roßlau tagende Synode, seine Kirche werde auch nach 2025 als eine Gliedkirche der EKD existieren, "deren selbstständige Gemeinden sich freiwillig zu Arbeitsgemeinschaften zusammengefunden haben".
Evangelischen Landeskirche Anhalts (ELA) ist nach Mitgliederzahlen die kleinste Kirche der EKD. Die Zahl der Gläubigen hat sich seit dem Ende der DDR auf etwa 35.000 halbiert. Liebig betonte, dies liege nicht "an der guten Arbeit in den Gemeinden, Diensten und Werken". Die Gründe für die zurückgehenden Mitgliederzahlen lägen überwiegend außerhalb des Einflusses kirchlichen Dienstes.
Er zählte dazu unter anderem die hohe Zahl von jungen Menschen, die seit den 1990er Jahren die Region verließen sowie die anhaltende nicht zufriedenstellende wirtschaftliche Situation in der Gegend um Dessau, Zerbst, Köthen und Bernburg. In Folge dieser Entwicklung lasse sich bei den haupt- und nebenamtlich Mitarbeitenden "ein großes Maß an Frustration und Einsamkeit im Dienst" feststellen. Vor allem aus den Gemeindekirchenräten werde immer wieder von Überforderung berichtet.
Der nun geplante Weg der Veränderung mit Hilfe des "Anhaltischen Verbundsystems" der Landeskirche habe eine seiner Wurzeln auch in der gesicherten Annahme, die ELA könne mit ihrer Hilfe auch zukünftig als eigenständige Landeskirche bestehen. Die angestrebten Arbeitsgemeinschaften von Gemeinden sollten sich dabei "nach Gemeindegliederzahlen, nachbarschaftlichen Verbindungen und weiteren sachlichen Kriterien" gliedern.
Den Arbeitsgemeinschaften sollen hauptamtliche Verbünde von Mitarbeitenden zur Seite gestellt werden. Das betreffe neben dem Pfarrdienst auch die Kirchenmusik, den großen Bereich der Gemeindepädagogik, eine "dezidiert gemeindeorientierte neue Form von Diakonie" und eine professionelle Verwaltung, blickte Liebig voraus.
Pfarrstellen werden sinken
Es zeichne sich ab, dass die Zahl der Pfarrstellen signifikant sinken werde, stellte der Kirchenpräsident in seinem Bericht weiter klar. Dazu trage auch bei, dass "absehbar nicht dauerhaft mit hinreichendem Nachwuchs für diesen Beruf gerechnet werden kann". Nach Angaben eines Sprechers beschäftigt die Landeskirche aktuell noch 55 Pfarrer und Pfarrerinnen.
Liebig appellierte an die Synodalen nicht zu verzagen. Kaum ein Satz sei im vergangenen Jahr häufiger zitiert worden als die lutherische Erkenntnis "semper reformanda", einer sich beständig erneuernden Kirche. Diese Forderung zu erheben sei verhältnismäßig einfach - "sie tatsächlich umzusetzen erfordert Gebet, kluges Nachdenken, gelassene Diskussion und dann ein mutiges Umsetzen", sagte der Kirchenpräsident.
Die Synode der Evangelischen Landeskirche Anhalts war am Freitag (25. Mai) in Dessau zusammengetreten. Das erste Treffen des zu Beginn des Jahres neugewählten Kirchenparlaments stand im Zeichen der Zukunftssicherung der Landeskirche. Zum Auftakt wurde Andreas Schindler als Präses der Landessynode in seinem Amt bestätigt worden. Als Beisitzer stehen dem 64-jährigen Ökonomen die frühere Coswiger Bürgermeisterin Doris Berlin (67) und der Gernröder Pfarrer Andreas Müller (55) im Präsidium der Synode zur Seite.
Die Landessynode ist neben dem Landeskirchenrat und der Kirchenleitung eines von drei Entscheidungsgremien der Evangelischen Landeskirche Anhalts. 33 von 39 Mitglieder der neuen Landessynode sind im Frühjahr in Wahlkonventen in den Kirchenkreisen gewählt worden. Sechs wurden von der Kirchenleitung berufen. Knapp 50 Prozent der neuen Synodalen sind zum ersten Mal berufen oder gewählt.
Das Anhaltische Verbundsystem
Am 26. Mai beschloss die in Dessau-Roßlau tagende Synode zum Abschluss ihrer Sitzung einstimmig, die erforderlichen Rechtsgrundlagen für die Reformen zu schaffen. Sie will ein "Verbundsystem" einführen, das eine veränderte Personalstruktur zum Ziel hat. Nach vorläufigen Planungen sollen 25 Verbünde geschaffen werden, die aus jeweils fünf Mitarbeitenden bestehen.
Ein Verbund soll jeweils aus einem Pfarrer, einem Gemeindepädagogen, einem Kirchenmusiker, einem Gemeindediakon und einem Verwaltungsmitarbeiter bestehen. "Seit Jahren stellen wir fest, dass hauptamtliche Mitarbeitende an Überforderung leiden und zugleich über Einsamkeit im Beruf klagen", sagte Kirchenpräsident Joachim Liebig. Es gebe noch zu wenig Abstimmung, die Arbeit müsse auf mehrere Schultern verteilt werden.
Die "Verbünde" sind den Planungen zufolge für mehrere Gemeinden zuständig, die sich freiwillig und nachbarschaftlich in Arbeitsgemeinschaften zusammenfinden sollen. Je nach inhaltlicher Übereinstimmung und Weitläufigkeit der Region sollen die Arbeitsgemeinschaften insgesamt 800 bis 1.200 Gemeindeglieder umfassen. Dies sei ein "Korridor", betonte Liebig, dessen genaue Grenzen diskutabel seien. Wichtig bleibe eine grundsätzliche Vergleichbarkeit der Gemeinden.
Da in einzelnen Gemeinden das neue Modell bald erprobt werden soll, wurde die Kirchenleitung verpflichtet, bis Ende August erste verlässliche Eckpunkte für die Umsetzung zu erstellen. Die genaue Ausarbeitung obliegt aber dem Ordnungs- und Strukturausschuss der Synode, die das Projekt bis spätestens 2025 abschließen will.
Quelle: epd