Ökumenischer Eine Welt-Förderpreis in Güstrow verliehen Bischof v. Maltzahn lobt Engagement, um Welt gerechter und lebenswerter zu machen
29.10.2018 · Güstrow. Die Wettbewerbssieger kommen aus Wismar, Rostock und Greifswald: Zum dritten Mal war der Ökumenische Förderpreis „Eine Welt“ ausgelobt. Die Jury vergab am heutigen Montagabend in Güstrow den Hauptpreis - ein Wanderpokal und 2.000 Euro - an die Selbstbauprojekt-Serie die Studierende der Fakultät Gestaltung der Hochschule Wismar gemeinsam mit Studierenden der südafrikanischen Nelson Mandela Universität und eines lokalen College unter dem Namen „Joe Slovo West Community Project“ entwickelt haben. Konkret zeigt das Projekt nachhaltige und kostengünstige Methoden für den Eigenbau gemeinschaftlich bzw. geschäftlich nutzbarer Gebäude auf.
„Das Projekt ist ein besonders beeindruckendes Beispiel für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit auf Augenhöhe, das in jeder Hinsicht nachhaltig wirkt: durch die Einbeziehung der unmittelbar Betroffenen, der Schulung und Beratung der Unternehmerinnen und Unternehmer, der Verwendung kostengünstiger und vor Ort verfügbarer Baustoffe und Technologien und die partnerschaftliche Zusammenarbeit junger Studierender“, sagte der Schweriner Bischof Dr. Andreas v. Maltzahn bei der Preisverleihung im Festsaal des Güstrower Schlosses. Die Auszeichnung fand anlässlich der Eröffnung der „WeltWechsel-Tage 2018“ in MV statt.
Im südafrikanischen Township „Joe-Slovo-West“ in Port Elisabeth wurde in ehrenamtlicher Arbeit von Studierenden der beteiligten Hochschulen und des College ein kleines Ladenlokal als Verkaufsstätte sowie zentraler Anlauf- und Treffpunkt innerhalb des Townships konzipiert. Anschließend errichtete das Team deutscher und südafrikanischer Studenten den kleinen Erweiterungsbau in einer vereinfachten Variante der Holzrahmenbauweise, wobei vor allem recycelte Industriepaletten zum Einsatz kamen.
„Die zukünftigen Ladenbesitzer, die zuvor mit Weiterbildungsprogrammen individuell in Bezug auf ihre wirtschaftliche Tätigkeit geschult worden waren, wurden direkt in den studentischen Planungs- und Bauprozess einbezogen. Ihre Bedürfnisse, Ideen und ihr Wissen, konnten so unmittelbar berücksichtigt werden“, so Bischof v. Maltzahn. Zugleich bestehe mit dem Projekt die Chance, dass auf der Grundlage dieser partnerschaftlichen Zusammenarbeit weiterhin „nachhaltige Entwicklung und interkultureller Dialog gefördert“ werden. Weitere Informationen gibt es hier. Ein Film zum Projekt hier.
Zweiter Platz an "Freundeskreis Flüchtlinge“
Über den zweiten Förderpreis und 1.500 Euro freute sich der „Freundeskreis Flüchtlinge“ der Kirchengemeinde Biestow in der Hansestadt Rostock. „Sie haben den ganzen Menschen im Blick, sie bieten Heimat und sie geben Menschen die Möglichkeit sich selbst aktiv zu beheimaten. Das ist großartig, und dafür danken wir Ihnen heute“, sagte Laudatorin Pastorin Christine Oberlin von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen MV.
Rückblende: Im Oktober 2014 kamen zum ersten Mal junge Geflüchtete aus Eritrea zum Gottesdienst in die Biestower Kirche. Doch dabei sollte es nicht bleiben: Aus dem spontanen Engagement für die jungen Leute entstand im Mai 2015 der „Freundeskreis Flüchtlinge“. Mittlerweile finden hier Ratsuchende aus Eritrea, Syrien, Äthiopien und dem Iran kontinuierlich Zuwendung und Gemeinschaft oder nutzen verschiedene Bildungsangebote, wie einen Sprachkurse, den Hausaufgabennachmittag für Integrationskursteilnehmer, einen Nähkurs oder die Fahrradwerkstatt.
Zusätzlich zum wöchentlichen Sonntagsgottesdienst in deutscher Sprache findet in der Biestower Kirche einmal monatlich ein eritreisch-orthodoxer Gottesdienst in tigrinischer Sprache statt. Es gibt also ein reges geistliches Leben der eritreischen Christen sowohl innerhalb der regulären Sonntagsgottesdienste der Kirchengemeinde als auch ergänzend dazu mit einem eritreisch-orthodoxen Gottesdienst pro Monat. „Diese Verankerung in der eigenen und der neuen geistlichen Tradition ist ein wichtiger Baustein für gelingende Integration“, berichtete Pastorin Oberlin und ergänzte: „Neu ist der ,Tigrinja-Unterricht‘ für die eritreischen Kinder. Deren Eltern hatten diese Idee, denn sie wünschen sich, dass die eingeschulten Kinder ihre Muttersprache nicht vergessen.“ Weitere Informationen unter: www.kirche-biestow.de
Dritter Preis geht nach Greifswald und Rostock
Der dritte Preis wurde in diesem Jahr geteilt. Die Preisträger, das Quartiersbüro Schönwalde II in Greifswald und die Gesellschaft für solidarische Entwicklungszusammenarbeit in Rostock e.V., bekamen je 500 Euro.
„Im Quartierbüro kommen Anwohnerinnen und Anwohner miteinander in Kontakt, bringen eigene Ideen und Fähigkeiten ein und gestalten das Leben in ihrem Stadtteil mit“, sagte Dr. Norbert Nagler als Vertreter des Erzbistums Hamburg in seiner Laudatio. Zwei hauptamtliche Mitarbeiterinnen koordinieren die Arbeit unter Trägerschaft der Caritas Vorpommern. Zahlreiche Ehrenamtliche engagieren sich seit vielen Jahren, „zum Beispiel beim Stadtteilfrühstück und beim Internationalen Frauencafé“, so Dr. Nagler und ergänzte: „Miteinander zu essen schafft eine Gemeinschaft, die Grenzen überwindet und bei der sich Menschen schnell kennenlernen.“
Zu den weiteren Angeboten des Quartiersbüros zählen ein Gemeinschaftsgarten, eine Fahrradwerkstatt und die Stadtteilzeitung. Jährlicher Höhepunkt im Jahr sind die „Singenden Balkone“. Inzwischen sind es mehrere Hundert Menschen, die an einem Abend im September gemeinsam durch das Stadtviertel laufen und zwei Stunden lang ihren musizierenden Nachbarinnen und Nachbarn auf verschiedenen „singenden“ Balkonen lauschen. Dies und mehr, so der Laudator, „stärkt die Gemeinschaft im Quartier. Es schafft lebendige nachbarschaftliche Beziehungen und führt dazu, dass sich Menschen in ihrem Stadtteil wohl fühlen, sich einbringen und friedlich miteinander leben“. Weitere Informationen finden Sie hier.
Weiterer dritter Preisträger ist die Gesellschaft für solidarische Entwicklungszusammenarbeit Mecklenburg-Vorpommern (GSE) e.V. aus Rostock. Deren Themenspektrum sind globales Lernen, Bildung für nachhaltige Entwicklung und vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung für Kinder in Grundschulen und Kindertagesstätten sowie Grundschul-Pädagogen und Fachkräfte in Kita und Hort.
Das jetzt ausgezeichnete Projekt wurde hauptsächlich von Marlene Emilia Poma Gamboa aus Peru ausgearbeitet, die ein Jahr als Süd-Nord-Freiwillige mit der GSE gearbeitet hat. „Marlene hat die beiden zentralen Identifikationsfiguren der Projektmaterialien am Beispiel von zwei Kindern aus ihrer Verwandtschaft entworfen. Kein Wunder, dass es ihr gelungen ist, verschiedene Aspekte des Kinderalltags in Peru sehr authentisch, aktuell und anregend zu erzählen“, skizzierte Dr. Nagler. Die beiden Geschwister Lore und Beto seien im gleichen Alter wie die mecklenburgischen Grundschüler selbst, hätten ähnliche Probleme und Sorgen. „Vieles in ihrem Tagesablauf ähnelt dem der Kinder hier. Und doch gibt es Unterschiede“, so der Laudator. „Herauszufinden, wie vielfältig das Leben von Grundschulkindern auf der Welt ist und den Alltag in Peru mit diesen beiden Altersgenossen kennen zu lernen, ermöglicht ein wertschätzendes Wahrnehmen von anderen Lebensweisen und Lebensumständen jenseits von Exotik- oder Mitleidsdiskursen.“ Weitere Informationen unter: www.gse-mv.de
Kirchen stehen in Mitverantwortung für globale Gerechtigkeit
In seinem Grußwort zu Beginn der Veranstaltung hatte Bischof v. Maltzahn die anwesenden Gäste, darunter die Staatsekretärin für Bundesangelegenheiten und Bevollmächtigte des Landes Mecklenburg-Vorpommern beim Bund, Bettina Martin, zum „Abend der Begegnung und der Ermutigung“ begrüßt und sagte: „Ich freue mich, dass wir heute wieder etwas von der großartigen, oft verborgenen Arbeit an einer menschlicheren Welt, die in unserem Land geschieht, wahrnehmen werden!“
Zugleich erinnerte der Theologe an die „Verantwortung, die Kirchen weltweit für Entwicklung, Gerechtigkeit und Frieden tragen“. Als vor 50 Jahren Vieles in Deutschland und Europa im Wandel war, habe der Ökumenische Rat der Kirchen n Uppsala getagt und dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Entsprechend gründete die Evangelische Kirche in Deutschland 1968 den Kirchlichen Entwicklungsdienst. Die Idee dahinter, so Bischof v. Maltzahn: „Die Kirche ist nicht nur aufgerufen, Menschen im globalen Süden durch Spenden, Partnerschaften und Aufbauarbeit zu unterstützen. Dazu waren die großen Hilfswerke der Kirchen seit Jahrzehnten verlässliche Partner. Nein, es geht auch darum, für Bewusstseinswandel im eigenen Land zu sorgen, auf die Politik Einfluss zu nehmen und entwicklungspolitische Bildungsarbeit voranzutreiben“.
Globale Gerechtigkeit darf sich nicht im Nord-Süd-Transfer von Know-How und Geld erschöpfen, mahnte der Theologe und erinnerte daran, wie sehr „die kolonialistische Vergangenheit auch unseres Landes die ungleiche Verteilung von Reichtum auf unserer Erde verursacht hat und wie sehr unfaire Handelsbedingungen diese fatale Entwicklung bis heute weiter befeuern“. Die Begegnungen in den Partnerschaften, konkrete Projektarbeit in den Ländern des globalen Südens auf der einen Seite und entwicklungspolitische Bildungsarbeit auf der anderen Seite, gehörten deshalb untrennbar zusammen.
Dabei bedarf es einer ganzen Bandbreite von Aktivitäten – Gruppen, Gemeinden, Vereine, die Projekte anschieben und Partnerschaften pflegen; und jene, die sozusagen Lobbyarbeit für globale Gerechtigkeit auf ihre Fahnen schreiben, in Schulen und in der Erwachsenenbildung tätig sind, im Fairen Handel oder im politischen Einsatz für gerechte Entwicklung. „Heute“, so Dr. v. Maltzahn, „können wir ergänzen: Es braucht auch jene, die sich im Bereich der Arbeit mit Geflüchteten engagieren“.
Nach den Worten des Bischofs möchte der „Ökumenische Eine-Welt-Preis“ die Augen öffnen dafür, wie viel an dieser Stelle auch in Mecklenburg-Vorpommern geschieht, „oft weitab von öffentlicher Aufmerksamkeit, aber in kontinuierlicher, weithin vom Ehrenamt getragener Arbeit. Wie viele Menschen investieren Zeit, Kraft und Ideen, um unsere Welt ein kleines Stückchen gerechter und damit lebenswerter zu machen! … Wie schnell wächst die Zahl derer, denen es nicht gleichgültig ist, woher die Dinge stammen, die sie kaufen, und unter welchen Bedingungen sie produziert und gehandelt wurden! Und wie ungezählt sind nach wie vor diejenigen, denen es ein Herzensanliegen ist, Geflüchteten ein würdiges Leben nach traumatischen Erfahrungen zu ermöglichen!“
Große Resonanz auf Ausschreibung
Insgesamt hatten sich 19 Gruppen und Einzelpersonen beworben, „die in den vergangenen zwei Jahren nachhaltige, innovative und nachahmungsfähige Aktivitäten für weltweite Gerechtigkeit gestartet haben“, informierte Änne Lange vom Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreis Mecklenburg, der gemeinsam mit dem Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis, den katholischen Erzbistümern Hamburg und Berlin sowie der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen MV den Ökumenischen Förderpreis „Eine Welt“ alle zwei Jahre auslobt. Lange: „In diesem Jahr ist uns als Jury die Wahl erneut, schwer gefallen. Jedes der Projekte hatte etwas, was uns beeindruckt hat.“
Quelle: ELKM (cme)