Digitalisierung Professor Rosenstock sieht bei Kirchen großen Nachholbedarf

22.11.2019 · Emden/Greifswald. Gottesdienste per Livestream im Internet, Verabredungen und Termine per App aufs Smartphone, Glaubenskurse auf Youtube: Das könnten Schritte in die digitale Zukunft der Kirchen sein. Die Reformierten sehen Chancen. Es gibt aber auch warnende Stimmen.

Die Kirchen in Deutschland müssen nach Auffassung des Theologen und Medienpädagogen Roland Rosenstock (53) bei den Themen digitale Bildung und Kommunikation massiv aufholen. "Digitale Kompetenzen sind Kern- und Lebenskompetenzen", sagte der Professor für praktische Theologie an der Universität Greifswald am Donnerstag vor der Synode der Evangelisch-reformierten Kirche in Emden. Noch am Abend beschrieben die Delegierten des reformierten Kirchenparlamentes aus ihrer Sicht Schwerpunkte auf dem Weg in eine digitalere Kirche.

Angeführt wurde die Liste von dem Wunsch nach einer breiten Präsenz der Kirche in sozialen Netzwerken wie Instagram und Facebook. Aber auch Projekte der digitalen Verkündigung, Apps mit Servicefunktionen für das Smartphone und eine digitale Verwaltung haben für die Synodalen Priorität. Einschränkend hieß es allerdings: "Digitale Medien dürfen und können die Seelsorge, die Verkündigung und das persönliche Gespräch nur unterstützen, nicht ersetzen." Beschlüsse zur Umsetzung und zur Finanzierung wurden nicht gefasst.

Zuvor hatte Rosenstock gesagt, wenn sich die Kirche auf dem Weg in die digitale Zukunft abhängen lasse, könne sie gesellschaftlich nicht mitgestalten. Er machte klar, dass die Zeit drängt: "Algorithmen, die jetzt programmiert werden, bestimmen morgen unseren Alltag." Sie folgten Normen, die demokratisch gestaltet werden müssten. Das sei auch eine Herausforderung für die Kirchen.

Wie dringlich das Thema ist, verdeutlichte Rosenstock mit Blick auf das Ziel der Bundesregierung, dass alle staatlichen Verwaltungsleistungen bis 2022 digital verfügbar sein sollen. Dann werde es möglich sein, digital aus der Kirche auszutreten, führte der Medienpädagoge aus. "Die Herausforderung ist, dass Menschen ab 2022 auch digital in die Kirche eintreten können."

Ohnehin könnten Jüngere vielfach nur noch über digitale Wege erreicht werden. Es seien auch nicht mehr Diakone und Fußballtrainer, die heute die Sozialisation der Kinder begleiteten, sondern Youtuber wie Bibi und Gronkh.

Gleichzeitig fühlten sich viele Menschen in Kirche und Gesellschaft im Umgang mit dem Digitalen überfordert, sagte Rosenstock am Rande der Synode dem epd. Deshalb müsse es mehr als bisher um Bildung in diesem Bereich gehen. "Wir brauchen eine digitale Lesefähigkeit", bekräftigte der Wissenschaftler. In der Kirche werde in diesem Zusammenhang aber meist über Verwaltung und Verkündigung nachgedacht.

Die Kirchen haben Rosenstock zufolge den theologischen Auftrag, Beteiligung zu ermöglichen, auch, um der digitalen Spaltung in der Gesellschaft zu begegnen. Dies könne beispielsweise mit Kursen oder in der Bereitstellung von Infrastruktur für Ältere geschehen. Rosenstock machte den Gemeinden Mut, sich in dieser Hinsicht auf den Weg zu machen: "Die wichtigste Währung im digitalen Wandel ist Vertrauen. Da haben die Kirchen einen großen Vorschuss."

Quelle: epd