Epitaphe in Semlower Kirche restauriert Wiedererstandene Kostbarkeit

Marita Raben, stellvertretende Vorsitzende des Kirchengemeinderats Semlow-Eixen, und Restaurator Boris Frohberg freuen sich darauf, die Epitaphe am „Tag des offenen Denkmals“ vorzustellen.

Foto: PEK/S. Kühl

07.09.2019 · Semlow. In zweijähriger Arbeit wurden die Epitaphe in der Semlower Kirche aufwändig restauriert. Am „Tag des offenen Denkmals“ (8. September) werden die Grabmale aus der frühen Barockzeit der Öffentlichkeit vorgestellt.

In der Kirche in Semlow, rund 40 Kilometer westlich von Stralsund, endete vor wenigen Tagen die Restaurierung einer Kostbarkeit. In zweijähriger, mühevoller Kleinarbeit wurden zwei Epitaphe aufwändig wiederhergestellt. „Touristen und Gäste sind immer wieder erstaunt und verblüfft, welche Schönheiten sich in der Semlower Kirche befinden“, sagt Marita Raben, stellvertretende Vorsitzende des Kirchengemeinderats der Kirchengemeinde Semlow-Eixen. Bislang waren es vor allem die faszinierenden, fast die gesamten Wände bedeckenden Malereien des Lübecker Malers und Restaurators Carl Julius Milde – der auch das Westportalfenster des Kölner Doms gestaltete – für die das Gotteshaus aus dem 13. Jahrhundert bekannt war. Nun fügen sich die wieder erstrahlenden, prächtigen Grabmale in die kunstvolle Komposition der Innenausstattung ein.
 
Familie von Behr prägte die Dorfgeschichte
 
„Alles begann mit einer Notsanierung“, erinnert sich Marita Raben. „Aufgrund von Rissen drohte die Christoph-Figur auseinander zu brechen.“ Was als Rettungsmaßnahme begann, wurde zu einer vollständigen Restaurierung der beiden kurz nach 1600 vermutlich vom Bildhauer Claus Midow geschaffenen Grabmale. Vor allem die Figuren der beiden Epitaphe ziehen den Blick auf sich. Es handelt sich um Darstellungen von Mitgliedern der Familie von Behr. „555 Jahre hat die Familie von Behr hier in Semlow gelebt, den Ort geprägt und ihre Spuren hinterlassen“, beschreibt Marita Raben die enge Verbindung zwischen dem Dorf und der Adelsfamilie. Adam von Behr und seine Frau Ilse von Krakewitz sind auf dem Epitaph als Liegefiguren aus Sandstein gefertigt. Der Sohn der beiden, Christoph von Behr, sowie dessen Frau Hedwig von Ribbeck sind auf dem Epitaph daneben lebensgroß am Gebetpult kniend dargestellt.
 
Kunstwerk von europäischem Rang
 
„Die Reliefs wurden im Beschlagwerkstil gefertigt“, erklärt Restaurator Boris Frohberg die Wandgestaltung hinter den Figuren. Der Name komme von den Beschlägen damaliger Truhen, an deren Aussehen sich die Verzierungen orientieren. „Dieser Stil ist in Antwerpen entstanden und war damals von Bedeutung für den gesamten nordeuropäischen Raum.“ Bei den Epitaphen in Semlow handele es sich um Kunstwerke von europäischem Rang. „Diese Werke aus der Zeit des Übergangs von der Renaissance zum Barock sind Zeugnisse einer besonderen Form protestantischer Kunst, die äußerst aufwändig und kostspielig war und die sich nur sehr wohlhabende Adlige leisten konnten“, weiß der Restaurator. Rund 400 Jahre trotzten die Figuren der Zeit, bis nach all diesen Jahrhunderten die Eisenanker korrodierten, die dem Gotland-Sandstein Halt geben. Schuld daran sei eindringende Feuchtigkeit, so der Restaurator. Und beginnen die Anker erst zu rosten, entstehen Risse und der Stein zerspringt.

Glasfaser und Edelstahlanker
 
Die Restaurierung war daher ein gewaltiger Aufwand. „Wir haben alles demontiert, Einzelteile ergänzt, geklebt und gekittet. Um künftig Korrosion zu verhindern, verwendeten wir Edelstahlanker, Glasfasern und andere innovative Materialien.“ Von all diesen Dingen sowie von der zeitintensivsten Tätigkeit, der Verfestigung des lockeren Sandsteins, ist nun von außen nichts mehr zu sehen. Ergänzt wurde die Arbeit an den Figuren durch die detailgenaue Restaurierung der Malereien und Beschriftungen der Epitaphe, die gemäß der Ausgestaltung des 19. Jahrhunderts restauriert wurden. Das Ergebnis ist beeindruckend, auch wenn ein kleiner Wermutstropfen die Freude trübt, denn die Figur des Christoph von Behr konnte noch nicht wieder zusammengefügt werden. Zu groß sind die Schäden. „Erst während der Restaurierung hat sich gezeigt, wie komplex die Figur des Christoph von Behr ist. Es stellte sich heraus, dass die Skulptur teils aus minderwertigem Stein gefertigt wurde, der nach und nach wie Mürbeteig  zerbröselt“, sagt Boris Frohberg. Das sei vorab nicht erkennbar gewesen, erfordere nun aber eine Unmenge spezieller Verfestigungsmaßnahmen.
 
Christoph von Behr als Forschungsprojekt
 
„Glücklicherweise ist es uns gelungen, Prof. Dr. Jeannine Meinhardt von der FH Potsdam für das Vorhaben zu gewinnen“, freut sich Marita Raben. „Studierende des Studiengangs Konservierung und Restaurierung werden die Figur im Rahmen eines mindestens zweijährigen Forschungsprojektes restaurieren.“ Die größte Herausforderung werde dabei der sichere Transport nach Potsdam und wieder zurück nach Semlow sein. Nicht ohne Grund sei alles andere bislang unmittelbar vor Ort instandgesetzt worden. 175.000 Euro hat die Restaurierung der Epitaphe gekostet. „Viele Spenden haben die Rettung dieser Kostbarkeit ermöglicht“, so Marita Raben. „Neben den Nachfahren der Familie von Behr unterstützten das Land Mecklenburg-Vorpommern, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Nordkirche, die Rudolf-August Oetker-Stiftung, die Sparkasse Vorpommern, der Förderverein zur Erhaltung Semlower Kulturgüter sowie viele Einzelspender die Restaurierung.“
 
Am Sonntag (8. September) lädt die Kirchengemeinde am „Tag des offenen Denkmals“ zur offiziellen Vorstellung und zur Feier der restaurierten Grabmale ein. Um 11 Uhr beginnt ein Gottesdienst, Restaurator Boris Frohberg hält einen Vortrag über die Epitaphe und erläutert alle Details während einer ausführlichen Führung.

Quelle: PEK (sk)