Stiftung "Anerkennung und Hilfe" Drescher: Zu wenig Seh- und Körperbehinderte nutzen Stiftung

07.02.2020 · Schwerin.

In Mecklenburg-Vorpommern haben bisher nur wenige Menschen mit einer Seh- oder Körperbehinderung Unterstützung durch die Stiftung "Anerkennung und Hilfe" beantragt. Da Ende 2020 die Anmeldefrist ausläuft, solle die Stiftung im September auf einer Tagung in Schwerin noch bekannter gemacht werden, sagte die Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, Anne Drescher, am Freitag in Schwerin bei der Vorstellung ihres Jahresberichtes 2019.

Antragsberechtigt sind Menschen, die als Minderjährige in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe oder Psychiatrie in der DDR Leid und Unrecht erfahren haben und noch heute unter den Folgen leiden. Sie können eine Einmalzahlung in Höhe von 9.000 Euro erhalten sowie Rentenersatzleistungen für verrichtete Arbeit. Zwischen Oktober 2017 und Ende 2019 gab es in MV 1.053 Anmeldungen, darunter 560 neue im vergangenen Jahr. 514 Betroffene haben bereits Leistungen bekommen. Es wird von etwa 1.500 möglichen Anspruchsberechtigten in MV ausgegangen.

Insgesamt 1.355 Frauen und Männer nutzten im vergangenen Jahr das Beratungsangebot bei der Landesbeauftragten, 200 mehr als im Vorjahr, heißt es im Bericht. Fast 1.100 Menschen meldeten sich erstmals. 265 DDR-Sportgeschädigte nahmen vor Fristende des Dopingopfer-Hilfegesetzes im Dezember 2019 die Beratung in Anspruch.

358 ehemalige DDR-Heimkinder suchten 2019 vor allem Hilfe bei der Klärung ihres eigenen Schicksals, und das, obwohl der Fonds Heimerziehung bereits 2018 geschlossen wurde. Insgesamt haben sich in MV mehr als 1.000 Menschen zu spät zu dem Fonds Heimerziehung gemeldet. Über 200 neue Anträge wurden im Zusammenhang mit den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes beim Amt für Rehabilitierung gestellt.

Es sei wichtig, dass die Gesellschaft bereit ist, die Unrechtserfahrungen der politisch Verfolgten wahrzunehmen, sagte Drescher. Dies sei eine große Aufgabe. Viele Betroffene würden sich enttäuscht zurückziehen und fühlten sich nicht ernst genommen. Deshalb müssten Themen mit Zeitzeugen an historischen Orten in die Öffentlichkeit gebracht werden, um eine Befriedung zu schaffen.

Es reiche nicht aus, eine Rehabilitierungsurkunde zu haben oder 330 Euro Opferrente zu bekommen, heißt es im Bericht. Die Betroffenen wollten in der Öffentlichkeit auf informierte, aufgeklärte Menschen treffen, die adäquat auf die Erzählungen von gebrochenen Biografien und Leiderfahrungen reagieren können.

Da manche Zeitzeugen-Gruppen inzwischen sehr alt seien, werde nach neuen Möglichkeiten dafür gesucht, sagte die Landesbeauftragte. Deshalb sei in diesem Jahr eine Zeitschrift zum Thema "Gulag" geplant. Sie solle ein bis zwei Mal pro Jahr die Geschichte der Menschen lebendig vermitteln, die durch sowjetische Militärtribunale verurteilt wurden und in Lagern in der Sowjetunion inhaftiert waren. Zudem sollten die "Workutaner" über diesen Almanach miteinander verknüpft werden. Das jüngste Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Workuta sei inzwischen um die 90 Jahre alt, so dass keine Treffen mehr stattfinden könnten.

Quelle: epd