Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland gewählt Annette Kurschus ist neue EKD-Ratsvorsitzende
Foto: epd-bild
10.11.2021 · Bremen. An der Spitze des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) stehen künftig zwei Frauen. Am Mittwoch wurde die westfälische Präses Annette Kurschus mit großer Mehrheit zur neuen Ratsvorsitzenden gewählt. Die 58-Jährige war zuvor bereits stellvertretende Ratsvorsitzende und ist nach Margot Käßmann die zweite Frau an der Spitze der EKD in deren Geschichte. Kurschus folgt auf Heinrich Bedford-Strohm, der nicht für eine weitere sechsjährige Amtszeit kandidierte. Zur stellvertretenden Ratsvorsitzenden wurde die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs gewählt.
Für Kurschus stimmten am Mittwoch 126 der Delegierten aus Synode und Kirchenkonferenz, in der die 20 Landeskirchen auf EKD-Ebene organisiert sind. Vier Wahlberechtigte stimmten mit Nein, zehn enthielten sich. Für Fehrs stimmten 116 Delegierte bei 139 abgegebenen Stimmen. Elf stimmten gegen sie, zwölf enthielten sich.
Kurschus steht seit 2012 an der Spitze der westfälischen Landeskirche, die derzeit rund 2,1 Millionen Mitglieder hat. Besonders geschätzt sind die Predigten der ruhig und überlegt auftretenden Theologin. Bei den Wahlen zum Rat der EKD war Kurschus am Dienstag als einzige Kandidatin bereits im ersten Wahlgang mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit in das kirchliche Leitungsgremium gewählt worden.
Die 60 Jahre alte Fehrs zog mit großer Stimmenanzahl im zweiten Wahlgang in den Rat ein. Sie ist seit 2011 Hamburger Bischöfin. Der Sprengel Hamburg gehört zur Nordkirche, die 1,9 Millionen Mitglieder hat. Fehrs gehörte zudem bislang dem Beauftragtenrat zum Schutz vor sexualisierter Gewalt in der EKD an, dessen Sprecherin sie von 2018 bis 2020 war. Kurschus und Fehrs waren beide Mitglieder im vorhergehenden Rat der EKD an.
Zentrale Anliegen. Missbrauch und Klimawandel
In einer kurzen Rede nach der Wahl, in der sie sich für das Vertrauen der Delegierten bedankte, versprach die neue Ratsvorsitzende, dem Thema Missbrauch künftig an der Spitze der EKD mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Sie verwies auf die Forderung von Opfern sexualisierter Gewalt, das Thema zur Chefinnensache zu machen. „Das werde ich tun“, beteuerte Kurschus. Betroffene hatten am Montag bei der digital tagenden Synode Kritik an der Aufarbeitung von Missbrauch in der evangelischen Kirche geäußert. „Das waren starke, schmerzliche und bitter notwendige Momente“, sagte Kurschus.
Als weitere Schwerpunkte für ihren Ratsvorsitz nannte sie das Thema Klimawandel und die Aufgabe der Kirche, an der Seite der Schwachen, Abgehängten und Verletzten zu stehen. Zugleich will sie nach eigenen Worten auf Menschen zugehen, die von der Kirche enttäuscht sind. Die Erwartungen an die Kirche seien „immer noch und immer neu groß“, sagte sie. Das spiegele sich auch in herber Kritik und Enttäuschung. Zugleich seien die großen Erwartungen ein gutes Zeichen, weil sie Interesse an der kirchlichen Botschaft der Hoffnung zeigten.
Kurschus und Fehrs waren nach den guten Abstimmungsergebnissen bei den Ratswahlen am Dienstag vom neu gewählten Rat der EKD und der Kirchenkonferenz im Duo für die Spitzenposten vorgeschlagen worden. Dass diese Besetzung „gendermäßig nicht ausgeglichen“ sei, habe nicht vom Vorschlag abgehalten, sagte das älteste Ratsmitglied Andreas Barner. Die EKD wird damit künftig vor allem von Frauen in der Öffentlichkeit repräsentiert. Auch die Präses der EKD-Synode, die im Frühjahr gewählte 25-jährige Anna-Nicole Heinrich, ist eine Frau und qua Amt ebenfalls Mitglied im Rat, dem insgesamt acht Frauen und sieben Männer angehören.
Quelle: epd
Neu gewählte Mitglieder im Rat der evangelischen Kirche
- Andreas Barner, Mitglied im Gesellschafterausschuss Boehringer Ingelheim, Jahrgang 1953, aus Ingelheim am Rhein, verheiratet, eine Tochter, Mitglied im EKD-Rat seit 2015. Der Mathematiker und Mediziner hat sich im Rat in den vergangenen Jahren vor allem mit Haushaltsfragen befasst.
- Tobias Bilz, Bischof der sächsischen Landeskirche, Jahrgang 1964, aus Dresden, verheiratet, drei Kinder. Bilz steht seit März 2020 an der Spitze der lutherisch geprägten Landeskirche in Sachsen. Zuvor war der gebürtige Sachse Jugendpfarrer und Dezernent für Gemeindeaufbau, Seelsorge und Medien seiner Landeskirche.
- Michael Diener, Pfarrer und Dekan von Germersheim, Jahrgang 1962, aus Germersheim, verheiratet, zwei Kinder, Mitglied im Rat seit 2015. Diener gilt als Vertreter des Pietismus.
- Michael Domsgen, Professor für Evangelische Religionspädagogik an der Universität Halle-Wittenberg, Jahrgang 1967, aus Wernigerode, verheiratet, fünf Kinder. Der in Brandenburg geborene und in Sachsen-Anhalt lebende Wissenschaftler will seine Erfahrungen in einer entkirchlichten Region in die Arbeit einbringen.
- Kirsten Fehrs, Bischöfin der Nordkirche für den Sprengel Hamburg, Jahrgang 1961, aus Hamburg, verheiratet, Mitglied im Rat seit 2015, stellvertretende Vorsitze ab 2021. Mit der Erfahrung aus der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen im Bereich der Nordkirche wurde sie erste Sprecherin des Beauftragtenrats zum Schutz vor sexualisierter Gewalt in der EKD.
- Kerstin Griese, SPD-Bundestagsabgeordnete und bisher Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, Jahrgang 1966, aus Ratingen, ledig, Mitglied im Rat seit 2015. Die Pfarrerstochter ist seit 2003 Mitglied der EKD-Synode und eine der Sprecherinnen des Arbeitskreises Christinnen und Christen in der SPD.
- Anna-Nicole Heinrich, Philosophie-Studentin, Jahrgang 1996, aus Regensburg, verheiratet. Heinrich war im Mai zur Präses der Synode gewählt worden und gehört dem Rat qua Amt an. Sie steht für eine Gruppe junger Menschen in der evangelischen Kirche, die sich für neue Formen von Verkündigung und insbesondere digitale Kommunikation starkmacht.
- Jacob Joussen, Jura-Professor an der Ruhr-Universität Bochum, Jahrgang 1971, aus Düsseldorf, verheiratet, Mitglied im Rat seit 2015. Seine Expertise im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts ist in der EKD gefragt.
- Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Jahrgang 1960, aus Darmstadt, verheiratet, zwei Kinder, Mitglied im Rat seit 2015. Jung ist sogenannter Medienbischof der EKD und steht dem Aufsichtsrat des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP) vor. Er kündigte an, nur bis zum Ablauf seiner Amtszeit als Kirchenpräsident 2024 Mitglied im Rat zu bleiben.
- Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Jahrgang 1963, aus Bielefeld, ledig, Mitglied im Rat seit 2015. Sie war von 2016 bis 2021 stellvertretende Ratsvorsitzende und übernimmt nun den Vorsitz. Drei Schwerpunkte nannte sie für ihre Arbeit: den Umgang mit dem Klimawandel, die Unterstützung für Schwache und Verletzte sowie die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Kirche.
- Silke Lechner, bis Ende Oktober stellvertretende Leiterin des Referats Religion und Außenpolitik im Auswärtigen Amt, Jahrgang 1974, aus Berlin, verheiratet, zwei Kinder. Ab Dezember wird die promovierte Politikwissenschaftlerin beim Ökumenischen Rat der Kirchen die Vollversammlung 2022 in Karlsruhe mit vorbereiten.
- Anna von Notz, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bundesverfassungsgerichts und Mitglied des Redaktionsrats des Verfassungsblogs, Jahrgang 1984, aus Berlin, verheiratet, zwei Kinder. Ihrer Meinung nach müsste die Kirche für Menschen im Spagat zwischen Arbeit, Familie, Freunden und Ehrenamt bessere Angebote machen.
- Thomas Rachel, CDU-Bundestagsabgeordneter und bisher Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Jahrgang 1962, aus Düren, verheiratet, ein Kind, Mitglied im Rat seit 2015. Er ist Bundesvorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der Union.
- Stephanie Springer, Präsidentin des Landeskirchenamts der Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers, Jahrgang 1967, aus Hannover, verheiratet, Mitglied im Rat seit 2015. Die Juristin machte zunächst eine Karriere in der niedersächsischen Landesverwaltung und war Richterin, bevor sie 2013 an die Verwaltungsspitze der hannoverschen Landeskirche wechselte.
- Josephine Teske, Pastorin in der Nordkirche, Jahrgang 1986, aus Büdelsdorf, getrennt lebend, zwei Kinder. Teske verbindet ihr Amt als Gemeindepastorin mit der digitalen Kirche. Auf Instagram ist sie als Sinnfluencerin unter dem Namen @seligkeitsdinge_ unterwegs.