Drei Aufführungen im Spannungsfeld Gesundheit-Freiheit-Sicherheit Dialog der Gegensätze

Es geht an drei Abenden in der Rostocker St. Petrikirche um Sanitas, Libertas und Securitas.

Fotomontage: Peter Kluge

25.10.2021 · Rostock. Unter dem Titel „Diktat der Gesundheit (?)“ findet findet Ende Oktober in der Petrikirche Rostock eine Inszenierung in drei Räumen nach dem Roman „Corpus Delicti“ von Juli Zeh statt. Hier dreht sich alles um das Spannungsfeld von Sanitas (Gesundheit und Menschenbild), Libertas (Freiheit und Verantwortung) und Securitas (Sicherheit und Vertrauen), das unsere Gesellschaft aktuell stark prägt.

Den Auftakt jedes Abends bilden die Installation „Archiv der Gesundheit“ und der Experimental- und Tanzfilm „HOMO DEUS“. Anschließend ist das Publikum zur szenischen Lesung aus Juli Zehs Roman „Corpus Delicti“ eingeladen. Das Besondere daran: Die Lesungen unterscheiden sich von Abend zu Abend, jeder Abend entwickelt eine andere Sicht auf die vom Roman beschriebene Vision einer Gesundheitsdiktatur. Den Abschluss jeder Veranstaltung bilden moderierte Gesprächsrunden, an denen das Publikum und wechselnde Expert*innen teilnehmen. Gemeinsam mit ihnen formulieren die Teilnehmer*innen jeden Abend einen Minimalkonsens.

 

Es sind die Vielfalt der Thematisierung und das Zusammenspiel der Perspektiven, die Parallelen zu aktuellen Entwicklungen zutage treten lassen: Es wird für alle Beteiligten spürbar, wie die Omnipräsenz des Themenfeldes Krankheit – Gesundheit die gesellschaftliche Dialogfähigkeit zerstören kann. Ihnen wird vor Augen geführt, dass durch Stigmatisierung anderer Meinungen, zumal im Schutz virtueller Räume, unsere Gesellschaft immer stärker auseinanderdriften könnte. Am Ende entstehen Gräben zwischen Menschen und Menschengruppen, die kaum noch überwunden werden können.

 

Die geplante Veranstaltung lebt von der Interaktion zwischen Künstler und Publikum, aber auch der Besucher miteinander: Es geht um das Betrachten gleicher Dinge aus verschiedenen Perspektiven, die aber nicht als solche stehenbleiben, sondern miteinander in den Austausch treten – um sich darüber besser zu verstehen und wieder anzunähern. Die Abende sind zugleich auch Plädoyer gegen das „Labeln“ von Menschen, für eine Wiederaufnahme des Dialogs, für den direkten Austauschs miteinander, jenseits von abstrakten Feindbildern.

 

 „Dieses Projekt liegt uns besonders am Herzen, weil wir alles dafür tun wollen, dass wir uns als Gesellschaft nicht weiter spalten, sondern über den Austausch wieder mehr Gemeinsamkeiten als Trennlinien sehen“, bringen Wolfgang Schmiedt als einer der Künstler und Dorothea Strube als Leiterin des Zentrums Kirchlicher Dienste die Intention dieses besonderen Projektes auf den Punkt.

Weitere Informationen:

 

Die Aufführungen finden am 28. Oktober um 17 Uhr und am 29. und 30. Oktober jeweils um 19.30 Uhr in St. Petri Rostock statt.


Die Stationen der Abende im Überblick


Station 1:
Prolog – Der Zugang auf der Südseite der Petrikirche eröffnet das Szenario. Der Vorraum ist in weißen Stoff gehüllt und in einen Klangteppich eingebettet – eine Collage aus Atemgeräuschen und Musik in Form des Soundtracks „I can breathe“.  Der Raum pulsiert. Die Besucher*innen finden eine „HeilBar“ und ein „Archiv der Gesundheit“ vor, in dem sie Gegenstände und Botschaften platzieren können, die sie mit dem Thema Gesundheit assoziieren. Sie sind herzlich eingeladen, diese Gegenstände im Vorfeld auszuwählen und zu der Veranstaltung mitzubringen.
Der Weg zur zweiten Station ist von „Maskenporträts“ gesäumt: übermalten Fotos von weggeworfenen Masken mit den imaginären Porträts seiner ehemaligen Träger. Audiovisuelle Herzschläge begleiten diesen Ortswechsel - – der Kirchenraum wird gleichermaßen Artikulations- und Erfahrungsraum.


Station 2:
Homo Deus – Hier wird der gleichnamige Experimental- und Tanzfilm mit Geräuschen der modernen Medizintechnik zur Komposition „Soundtrack der Medizintechnik – Geräusche zwischen Angst und Hoffnung“ (Slave to the Rhythm of  Medicine) verwoben. Das 2020 mit dem Award des New York World Film Festivals als bester Experimentalfilm ausgezeichnete Werk „Homo Deus“ läuft gleichzeitig auf mehreren Monitoren, so dass die Besucher*innen sich auch hier als Teil der Präsentation, als Interagierende fühlen.


Station 3:
Corpus Delicti – Aus dem Roman von Juli Zeh wurde ein dialogisches Theaterstück entwickelt, das aus drei Teilen besteht. Jeder von ihnen prägt einen anderen Abend, jeder entwickelt eine andere Sicht auf das Thema der Veranstaltungsreihe, greift einen der Leitbegriffe auf. Immer sind es Dialoge zwischen zentralen Figuren des Romans, die Sichtweisen abbilden und zur inneren Positionierung herausfordern.


Station 4:
Dialog - Alle von den bisherigen Stationen gesetzten Impulse fließen in den nun folgenden Austausch miteinander ein, der den Ausklang des Abends bildet. In diesen sind – an jedem Abend andere – Expert*innen eingebunden, die verschiedene (wissenschaftliche und ethische Sichtweisen auf aktuelle und zukünftige, fiktionale und reale Szenarien entwickeln. Sie debattieren mit dem Publikum, mit dem Ziel, am Ende einen tragfähigen Konsens zu entwickeln, der als Manifesto des Abends gemeinsam verabschiedet wird.

 

Akteure des Projektes sind:
Compagnie de Comédie (Theater-Inszenierung); Zentrum Kirchlicher Dienste (Mitveranstalter);
Mathias Buss & Wolfgang Schmiedt (Gesamtidee und -konzeption sowie Installation, Film und Sound); Peter Klug (Maskenbilder); Michael Helbing (Moderation); Sonja Hilberger (Regie);Lydia Wilke, Marcus Möller und Peer Roggendorf (Realisierung der szenischen Lesung)

 

Kontakt für Rückfragen: k.koebe@rotorwerk-project.de – Tel.: 0179 75 86 970