Propst Tobias Sarx im Porträt Im Herzen immer Norddeutscher geblieben

Dr. Tobias Sarx ist neuer Propst der Propstei Stralsund im Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis. Vom Garten seines Hauses im pommerschen Teil der Stadt Ribnitz-Damgarten hat er einen unverstellten Blick auf die Weite der Kulturlandschaft.

Foto: PEK / Sebastian Kühl

05.07.2022 · Ribnitz-Damgarten. Tobias Sarx ist neuer Propst der Propstei Stralsund im Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis. Am 1. Juni begann der promovierte Theologe seinen Dienst. Der Einführungsgottesdienst für den 47-Jährigen fand am 11. Juni in der Stralsunder Marienkirche statt. Nach dem ersten Monat im Amt spricht Tobias Sarx im Porträt unter anderem über seine neue pommersche Heimat, seine Begeisterung für Musikinstrumente, über seinen Glauben und seine Liebe zum Schwimmen.

„Ich bin in meinem Leben schon so viel umgezogen, dass ich manchmal gar nicht mehr wusste, wo meine Heimat liegt. Nur, dass ich Norddeutscher bin, das stand für mich nie infrage.“ Tobias Sarx steht im gepflegten Garten seines Einfamilienhauses im pommerschen Teil der Stadt Ribnitz-Damgarten und blickt über die Weite der Felder. Spielgeräte auf dem Rasen verraten, dass er Kinder hat. „Als wir vor neun Jahren in Damgarten landeten, fühlten wir uns als fünfköpfige Familie spontan sehr wohl. Von der Kirchengemeinde und von den Menschen hier vor Ort wurden wir so offen und herzlich aufgenommen, dass es uns allen leichtfiel, Damgarten als neue Heimat anzunehmen. Es hat einfach alles perfekt gepasst: Evangelische Kita und Grundschule, eine lebendige Kirchengemeinde und Arbeitsmöglichkeiten für meine Frau.“ Mittlerweile sind die gemeinsamen Kinder, zwei Töchter und ein Sohn, 18, 13 und 16 Jahre alt. Sie werden selbständiger und entdecken die Welt ihrem Alter gemäß zunehmend allein. Ein guter Zeitpunkt also, sich beruflich neu zu orientieren. Nach dem ersten Monat im Propstamt ist Tobias Sarx noch mitten drin in seiner Entdeckungstour. „Ich habe mir vorgenommen, zu Beginn meines Dienstes alle Kirchengemeinden zu besuchen und sowohl mit Hauptamtlichen als auch mit Ehrenamtlichen über die Situation vor Ort ins Gespräch zu kommen.“ Bei 54 Kirchengemeinden braucht das seine Zeit, denn die laufende Arbeit will ja ebenfalls erledigt werden. Trotzdem: „Ich möchte erstmal ganz genau erfahren, was die Menschen in der Propstei bewegt. In den ersten Wochen habe ich darum viel zugehört und werde das auch weiterhin tun.“

 

Gitarre als Lieblingsinstrument

 

Für ein ausführliches Gespräch bei einer Tasse Kaffee hat Tobias Sarx in sein Wohnzimmer eingeladen. In dem hellen, geordneten Raum fällt sofort das Klavier auf. Hier wohnt eine musikalische Familie. Und Katzenfreunde, denn plötzlich hopst ein gut genährter, fein gemusterter Kater auf den Klavierhocker, um sich dort zu einem Schläfchen zusammenzurollen. Findus heißt der kleine Kerl, benannt nach dem ebenfalls Fell aber zusätzlich noch Hose tragenden Helden aus den bekannten Pettersson-Büchern von Sven Nordqvist. „Wir haben zwei Katzen noch aus der Zeit, in der wir im Blankenhäger Pfarrhaus mit seinem mehr als einen Hektar großen Pfarrgarten gewohnt haben“, erzählt Tobias Sarx. „Die Schwester von Findus heißt Fussel. Sie ist ganz schwarz und hat durch ein tragisches Unglück aus frühesten Kindertagen nur drei Beine. Sie fängt trotz ihrer Behinderung genauso viele Mäuse wie Findus.“ Die Frage, ob er neben dem Klavier noch weitere Instrumente spielt, beantwortet Tobias Sarx mit Akkordeon und Gitarre. „Trompete eigentlich auch, aber da bin ich nach mittlerweile 20 Jahren ohne Praxis völlig eingerostet.“ Für die Bläserarbeit reiche das also leider nicht mehr, meint er schnell mit einem Schmunzeln, bevor da noch jemand auf Ideen komme. Anders sei das beim Klavier, das er regelmäßig spiele. Auch an die Orgel könne er sich durchaus setzen und im Bedarfsfall einen Gottesdienst musikalisch begleiten. Am liebsten sei ihm aber die Gitarre, die ihm in Fleisch und Blut übergegangen sei und sich wunderbar für den Dienst fruchtbar machen lasse. „Ich nutze die Gitarre gern in Gottesdiensten, weil sich die Leute damit besser zum Mitsingen animieren lassen.“

 

„Das Ruhrgebiet ist schöner als sein Ruf“

 

Ursprünglich stammt Tobias Sarx aus Elmshorn nordwestlich von Hamburg. Geboren am 16. Mai 1975 ging es für ihn schon zwei Jahre später mit der Familie in den Westteil Berlins. Der Vater war Pastor einer Baptistengemeinde und zog immer dorthin, wo er gebraucht wurde. In Berlin verbrachte Tobias Sarx seine frühe Kindheit und besuchte eine Grundschule mit Blick auf die Grenzanlagen der geteilten Stadt. „Die Mauer hat mich geprägt, mir war die Teilung Deutschlands durch den Schulweg immer sehr bewusst und das hat mich schon als Kind sehr beschäftigt. Unsere Gemeinde pflegte enge Kontakte zu einer Ostberliner Partnergemeinde und so kann ich mich an viele gute Begegnungen im Ostteil Berlins erinnern.“ Kurz vor dem zehnten Geburtstag ging es für Tobias Sarx nach Mülheim an der Ruhr, wo sein Vater in einer neuen Gemeinde Pastor wurde. Der Arbeiterstadt mit ihrem typischen Ruhrpott-Charme kann Tobias Sarx eine Menge abgewinnen. „Ich habe da wirklich gern gelebt. Das Ruhrgebiet ist viel schöner als sein Ruf.“ Diese Sichtweise hat vielleicht damit zu tun, dass er hier die prägende Zeit seiner Jugend verbrachte, aber auch mit seinem ehrenamtlichen Engagement in der dortigen Kirchengemeinde. Von klein auf nahm er intensiv am Leben der jeweiligen Gemeinde teil, in der sein Vater tätig war. „Abgesehen von einer kurzen rebellischen Teenagerphase“, schränkt er lächelnd ein. „Ich bin ein Sandwich-Kind, und die schlängeln sich immer so ein bisschen durch. Die werden weniger beachtet. Das habe ich für mich positiv genutzt.“ So fühlte er sich nicht so im Fokus, was mehr Freiheit bedeutete. Einen Nachteil sieht er dennoch. Bei den gemeinsamen Mahlzeiten der Familie wurde er nicht so intensiv ausgefragt, wie seine zwei jüngeren und die zwei älteren Schwestern. Darin sieht er einen Grund, warum er Smalltalk bis heute nicht zu seinen Stärken zählt.

 

„In der Jugendarbeit wurde ich geerdet“

 

Für immer mit den Jahren in Mülheim ist für ihn verbunden, wie er dort gemeinsam mit einem Freund die Jugendarbeit der Baptistengemeinde neu aufbaute. Die war nämlich zu dem Zeitpunkt weitgehend eingeschlafen, wie er sich erinnert. Dem ehrenamtlichen Projekt widmete er sich insgesamt zehn Jahre, während der gesamten Studienzeit und darüber hinaus. „Das war ein Riesengeschenk. Da waren auch viele Jugendliche aus den Arbeitervierteln dabei. Im Theologiestudium wurde ich auf intellektuelle Höhenflüge geschickt, in der Jugendarbeit wurde ich geerdet.“ Und das meine er keineswegs despektierlich, vielmehr schreibe er genau diesen Kontakten sein heutiges Einfühlungsvermögen zu. „Die Arbeit mit den Kids hat auch mir selbst viel gebracht. Nicht zuletzt, um die passende Ansprache für junge Leute zu entwickeln. Da trafen sich regelmäßig zwischen 30 und 40 Kids und einmal im Monat haben wir ein Wochenende organisiert. Dieser Aufbau der Jugendarbeit hat der Kirchengemeinde sehr gutgetan und großen Schwung in die Ehrenamtlichenarbeit gebracht.“ Bis 2005 war Tobias Sarx hier eingebunden und noch heute pflegt er Kontakte zu einigen Jugendlichen von damals. „Das war eine ganz besondere Zeit“, ist ihm noch heute die Begeisterung deutlich anzumerken. „Und auch, wenn es mir darum natürlich nicht gegangen ist, finde ich es bemerkenswert, dass drei von den damaligen Jugendlichen später Theologie studiert haben.“

 

Reise ins Heilige Land

 

Nach dem Abitur arbeitete Tobias Sarx als Dachdeckergehilfe, um sich das nötige Geld für einen Auslandsaufenthalt zu verdienen. „Mitte der 1990er Jahre war so eine Phase, da wollten alle jungen Leute die große weite Welt sehen.“ Die Reisefieberzeit nennt er das. Eine Phase, die auch als eine Nachwirkung der Wendezeit und der Wiedervereinigung zu verstehen ist. Doch während andere aus seiner Generation auf Europatour gingen oder die USA bereisten, war für ihn im Jahr 1994 das Ziel völlig klar: Israel. „Ich wollte unbedingt mal die Orte sehen, von denen ich in der Bibel gelesen hatte.“ Seine sechsmonatige Reise ins Heilige Land wurde über einen christlichen Volontärsdienst organisiert. Die von dort mitgebrachten Erfahrungen reichen von der Meditation im Garten Gethsemane bis hin zum Eintauchen in die Mentalität und das Selbstverständnis des Staates Israel und seiner Menschen. „Mich interessierte, was die Menschen bewegt, die dort leben. Oft wurde ich nach meiner Meinung gefragt: Wem gehört Jerusalem? Angesichts des allgegenwärtigen Konflikts zwischen Volks- und Religionsgruppen versuchte ich zu verstehen, warum wir an einen Gott des Friedens glauben, die Menschen aber nicht fähig sind, friedlich miteinander zu leben. Mich mit diesen Fragen zu beschäftigen und all diese Erlebnisse, sowohl im Kibbuz als auch in Jerusalem, das hat mich Demut gelehrt.“ Dabei sei es ihm auch wichtig gewesen, beide Seiten, die palästinensische und die jüdische auf Augenhöhe kennenzulernen. Dass er während seines Aufenthalts in Israel sehr auf sich alleingestellt war, habe ihn stark beeinflusst und seine Persönlichkeit wachsen lassen. Dort, in Israel, lernte er auch seine spätere Frau kennen, die ebenfalls als Volontärin dorthin gereist war. „Es begann mit einem Gespräch in der Jerusalemer Altstadt…“, verrät er nur.

 

Entscheidung für das Theologiestudium

 

Auf den Spuren der Bibel zu wandeln, sei zwar eine wichtige Motivation für seine Israelreise gewesen, doch standen Glaubensgründe nicht an erster Stelle. „Ich fand Israel als Reiseziel damals in vielerlei Hinsicht spannend.“ Und doch kam dann während der Zeit in Israel der Moment, in dem ihm klar wurde, dass er Theologe werden wollte. „Der Aufenthalt dort lässt niemanden kalt. Selbst die tiefsten Atheisten machen sich da Gedanken“, ist Tobias Sarx von der besonderen Wirkung des Heiligen Landes überzeugt. Dazu kam, dass 1994 Jassir Arafat und Schimon Peres mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurden. „Diese Ereignisse haben mich so sehr fasziniert, dass der touristische Entdeckerdrang fast nebensächlich wurde“, wirken diese Erlebnisse noch bis heute bei ihm nach. Sie trugen grundlegend zu seiner Entscheidung bei, Theologie zu studieren. Im Jahr 2002 legte er sein Examen ab und wollte eigentlich in einer Baptistengemeinde sein Vikariat absolvieren. Doch dann erreichte ihn die Anfrage des Kirchenhistorikers Christoph Strohm, eine Assistentenstelle an der Universität anzunehmen. Der Leiter des baptistischen Predigerseminars ermutigte ihn: „Das Vikariat hat Zeit, wir warten auf dich. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.“ Und so wurde Tobias Sarx wissenschaftlicher Mitarbeiter an der theologischen Fakultät in Bochum. „Die Arbeit dort bestand zu jeweils einem Drittel aus der Zuarbeit für den Professor, aus dem Lehrauftrag und dem Schreiben an der Doktorarbeit“, fasst er zusammen. Für letzteres beschäftigte er sich mit dem Reformator Johannes Calvin und dem reformierten Theologen Franciscus Junius (1545-1602). Dabei ging es ihm – im Nachhall seiner Israelreise – auch um die Fragen, warum es im Zusammenhang mit Religion immer wieder zu Gewalt kommt und warum die Sanftmütigkeit des christlichen Glaubens in der Praxis oft nicht sichtbar wird.

 

Eintritt in die evangelische Kirche

 

Fünf Jahre später und mit dem Doktortitel in der Tasche wurde es im Jahr 2007 dann mit dem Vikariat wieder nichts. Dieses Mal kam der Ruf von der Universität Marburg. „Da passte einfach wieder mal alles, sowohl die Stelle für mich, als auch das Umfeld für meine Familie.“ In Marburg vertieften sich durch die universitäre Arbeit die bereits in Bochum entwickelten Kontakte zur evangelischen Landeskirche. „In Marburg hat uns der landeskirchliche Pfarrer zu Familiengottesdiensten eingeladen. Mit unseren drei kleinen Kindern sind wir gern dort hingegangen. Die Frage nach der Konfession stand für mich nie im Vordergrund und war für mich gar nicht so das Thema. Mir ist es wichtig, dass ich Christ bin und ich das Evangelium verkünden möchte.“ So empfand er es nicht als großen Schritt, eher als eine organisatorische Entscheidung, als er 2008 in die evangelische Kirche eintrat. „Dort war eine gute christliche Gemeinschaft, in der meine Familie und ich uns wohlfühlten. Außerdem hatte ich zu dem Zeitpunkt bereits sechs Jahre Reformationsgeschichte unterrichtet und kannte mich mit meiner neuen Konfession wohl besser aus, als die meisten anderen in der Gemeinde“, fügt er augenzwinkernd hinzu.

 

„Ich war neugierig auf Mecklenburg-Vorpommern“

 

Die Zeit an der Uni sei Gold wert gewesen, meint er im Rückblick. Die Work-Life-Balance, der Ausgleich zwischen Privatem und Berufsleben, habe gestimmt. „Ich konnte mich beruflich weiterentwickeln und trotzdem meine Kinder aufwachsen sehen. Es gab zwar immer mehr als genug zu tun, aber die Zeiteinteilung war weitgehend flexibel. Diese Jahre haben uns als Familie gestärkt und zusammengeschweißt.“ Aber nach einem Jahrzehnt als wissenschaftlicher Assistent und einem zweiten Forschungsprojekt zu den Auswirkungen der 68er-Bewegung auf Theologie und Kirche stellte sich dann doch die Frage, ob es nicht langsam an der Zeit sei, in den pastoralen Dienst zu wechseln. Schließlich hatte der Leiter des baptistischen Predigerseminars ja seinerzeit zu ihm gesagt, dass aufgeschoben nicht aufgehoben sei. Aber wo sollte es hingehen? „Es war ein Sommerurlaub auf der Insel Rügen, in dem der Gedanke an den Gemeindedienst in meiner Frau und mir reifte.“ Schließlich beschloss er, sich auf seine Wurzeln als norddeutsches Kind zu besinnen und sich bei der Nordkirche zu bewerben. 2013 wurde er angenommen. Nicht ganz unschuldig an der Entscheidung für den Vikariatsort war auch der schöne Rügenurlaub. „Ich war einfach sehr neugierig auf Mecklenburg-Vorpommern.“ Und so begann er sein Vikariat in der Kirchengemeinde St. Bartholomäus Damgarten-Saal. Die Anleitung durch Pastor Wolfgang Miether, der sein Vikariat betreute, sei hervorragend gewesen.

 

Geglückter Start in der neuen Heimat

 

Auch für seine Familie glückte der Start in Damgarten. Seine Frau, Ethnologin und Historikerin, hatte im Ruhrgebiet als Integrationsbeauftragte gearbeitet und konnte in der neuen Heimat während der sogenannten Flüchtlingskrise ihre umfangreichen Kenntnisse und Erfahrungen einbringen. „Sie unterrichtete Deutsch als Fremdsprache, kam so als Lehrerin an die örtliche Schule und vermittelte interkulturelle Kompetenz an die hiesige Lehrerschaft“, erzählt Tobias Sarx. Zu den vielen guten Erinnerungen an die Vikariatszeit zählt für ihn auch, dass er seine Familie mehr mit seinem Beruf in Berührung bringen konnte, als es während der Jahre als Dozent der Fall war. Sein Tätigkeitsschwerpunkt war die Gemeindearbeit mit Familien. „Es war schön, meine Kinder in die Gottesdienstgestaltung mit einbeziehen zu können“, sagt er und erwähnt nicht ohne Stolz, dass es seinen Kindern nicht peinlich sei, wenn er Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen leite. Im Gegenteil: Als es darum ging, dass im Damgartener Gymnasium angesichts der Ukrainekrise eine Schulandacht organisiert werden sollte, meinte sein Sohn: „Ich finde gut, wenn du das machst, dann weiß ich, dass ich meine Kumpels mitbringen kann, denn dann wird’s ordentlich.“ So habe er die Einbindung seiner Familie in die Gemeindearbeit sehr genossen, war sich dabei aber auch stets bewusst, dass diese Unterstützung nicht überstrapaziert werden dürfe.

 

Viele Erwartungshaltungen konstruktiv managen

 

Als nach dem Vikariat der Probedienst bevorstand, sei er trotz der guten Ausbildung ganz schön nervös gewesen, gibt er zu. Eine „eigene“ Kirchengemeinde sei noch einmal etwas ganz anderes. Wichtig war ihm, die Familie nicht wieder zu entwurzeln. So war er dankbar, als ihm die Kirchengemeinden Marlow und Blankenhagen zugeteilt wurden. Die lagen zwar jenseits der Recknitz in Mecklenburg, aber die Entfernungen waren so, dass seine Frau ihre Anstellung an der Ribnitzer Schule behalten und seine älteste Tochter weiterhin das Damgartener Gymnasium besuchen konnte. In Marlow und Blankenhagen oblag ihm die in seinen Augen wenig dankbare Aufgabe, zwei Pfarrstellen zusammenzuführen. Es sei nicht leicht gewesen, die vielen Erwartungshaltungen konstruktiv zu managen. „Die Frage lautete: Wie kann man mit weniger Manpower gute Gemeindearbeit gestalten und aus der Not eine Tugend machen? Ich war beeindruckt von der Bereitschaft der Menschen vor Ort, neue Wege zu gehen und Orte der Begegnung zu schaffen. Für letzteres boten sich die Dörfer an, die kirchengemeindlich zu Blankenhagen und kommunal zu Marlow gehörten. Die Himmelfahrtsgottesdienste in Kloster Wulfshagen und die Erntedankgottesdienste in Gresenhorst und Dänschenburg werde ich mein Leben lang in guter Erinnerung behalten.“ Schon nach drei Jahren stand dann aber die nächste strukturelle Veränderung in der Region ins Haus. Der gerade erst gebildete Pfarrsprengel wurde zerschlagen, die beiden Kirchengemeinden anders zugeordnet. Die damit verbundenen Konflikte im Kreis der Pastorinnen und Pastoren haben Tobias Sarx zugesetzt. „Die Auseinandersetzungen haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, dass Pastorinnen und Pastoren im Probedienst in Ruhe ihre ersten pastoralen Schritte gehen können. Als Propst werde ich einen besonderen Blick darauf haben, dass die unvermeidlichen Herausforderungen des Anfangs nicht zusätzlich durch grundlegende Strukturfragen belastet werden“, bewegt ihn dieser Einschnitt noch heute.

 

„Seit meiner Kindheit liebe ich Wasser und Wellen“

 

Trotz seiner beachtlichen Körpergröße von 1,98 Meter hält sich Tobias Sarx beständig erstaunlich gerade. „Für die zwei Meter hat’s nicht ganz gereicht“, scherzt er und erklärt seine gute Körperhaltung mit einem Arztbesuch als Jugendlicher. „Wenn Sie da nichts unternehmen, kämpfen sie spätestens mit 30 mit starken Rückenbeschwerden, sagte mir der Arzt damals und empfahl mir regelmäßiges Schwimmen. Das kam mir entgegen, denn seit meiner Kindheit liebe ich Wasser und Wellen.“ Aus der Empfehlung des Arztes ist dann echte Leidenschaft geworden. Selbst im Winter geht es hin und wieder in die dann meist eher graugrünen Wellen der Ostsee. Auch seine Kinder hat er mit der Liebe zum Schwimmsport angesteckt. Seine Rettungsschwimmerausbildung absolvierte er vor vier Jahren gemeinsam mit seiner ältesten Tochter. Auch hierbei dachte er wie so oft auch an seine Berufung: „Rettungsschwimmer zu sein, ist durchaus nützlich für die Gemeindearbeit“, meint er und ergänzt schnell: „…aber das Schwimmen ist schon in erster Linie mein persönlicher Spaß. Im Wasser ist die Schwere des Lebens wie weggepustet.“ Überhaupt ist Sport neben dem Musizieren sein Ausgleich, als Kontrast zu seinem beruflichen Wirken. So zieht es ihn auch schon mal in die Berge zum Wandern. „Ich habe da mal mit einigen Kollegen eine fünftägige Hüttentour unternommen, da ging‘s einfach mal raus aus der Zivilisation.“ So ist er trotz des vielen Arbeitens am Schreibtisch topfit, die richtige Balance ist hier wie auch im Verhältnis von Familie und Beruf sein Geheimnis. Er ist gleichermaßen ein Mann der Bücher wie praktischer Theologe und zugewandter Seelsorger. Mit offenem, interessiertem Blick lauscht er seinem Gegenüber. Obwohl sein Terminkalender voll ist, nimmt er sich Zeit und vermittelt nie den Eindruck, dass er es eilig hat, sondern bleibt stets ganz im Gespräch.

 

Verbindung aus akademischer Arbeit und pastoralem Dienst

 

Nach der Zeit in Marlow und Blankenhagen bot sich Tobias Sarx die Chance, Studienleiter am Prediger- und Studienseminar der Nordkirche in Ratzeburg zu werden. Arbeitsauftrag: Entwicklung und Durchführung alternativer Wege in den Pfarrdienst. „Mich reizte die Möglichkeit, meine Kontakte in das akademische Milieu mit dem pastoralen Dienst zu verknüpfen.“ In Ratzeburg entwickelte er ein Nachqualifizierungsprogramm und einen berufsbegleitenden Masterstudiengang mit der Universität Greifswald als alternative Wege in den Pfarrdienst. „Hintergrund war natürlich der Pastorenmangel“, stellt er klar. „Dennoch war von Anfang an wichtig, dass die Menschen, die diese alternativen Ausbildungswege wählen, keine Lückenbüßer sein sollen, sondern vollwertige Pastorinnen und Pastoren, die zudem noch ganz neue Aspekte aus ihren früheren Zusammenhängen mitbringen. Die können schon was, die meisten geben gutbezahlte Berufe auf und entscheiden sich nun ganz bewusst für den pastoralen Dienst, weil sie diesen Ruf spüren.“ Wenn er das schildert, ist ihm die Begeisterung für diese Menschen anzumerken, die so viel mehr als „Quereinsteiger“ sind. Rund 25 Männer und Frauen hat er vor zwei Jahren auf den Weg geschickt. „Ja, das sind nun sicherlich keine Massen, aber jede und jeder von ihnen ist ein Geschenk für die Kirche.“ Dass das so gut funktioniere, erfülle ihn mit großer Freude.

 

„Gott trägt uns, wenn Sicherheiten ins Wanken geraten“

 

Dass Tobias Sarx heute nicht mehr Studienleiter am Prediger- und Studienseminar ist, sondern Propst in Stralsund, hat mit einem unerwarteten Telefonat zu tun: „Der Anruf von Bischof Tilman Jeremias hat mich total überrascht. Ich war ja gar nicht auf der Suche nach einer neuen Aufgabe und in Ratzeburg auch zufrieden.“ Im Wahlausschuss sei sein Name gefallen, hätte der Bischof am Telefon gesagt und gefragt, ob er sich vorstellen könnte, sich zur Propstwahl zu stellen. Das war im Sommer 2021. Dann habe er im Urlaub – diesmal in der Schweizer Bergwelt – darüber gegrübelt und schließlich zugesagt. „Ich merkte schnell, dass mich diese Aufgabe unheimlich reizt. Mitarbeitende zu schulen, Potentiale zu entdecken und zu fördern, Talente aufzuspüren und weiterzuentwickeln, dabei Hauptamtliche und Ehrenamtliche immer gleichermaßen im Blick zu haben, das alles zählt für mich dazu. Ich möchte als Propst unterstützen. Ich möchte fragen: Was sind eure Träume, was wollt ihr, was braucht ihr? Was kann entstehen? Es ist mir ein Anliegen, dass die hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitenden ihr Potential entfalten können, dass sie Freude an der Gemeindearbeit haben. Das sind meine Ziele und ich weiß, unser Glaube trägt genau das in sich. Denn, wenn Sicherheiten ins Wanken geraten, was trägt uns dann? Wenn Friede und Wohlstand keinen Bestand haben, dann trägt uns Gott. Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarte ich getrost, was kommen mag“, zitiert Tobias Sarx die berühmten Zeilen des Theologen Dietrich Bonhoeffer, die dieser während seiner Haft im KZ kurz vor seiner Hinrichtung verfasste. „Dieses Beispiel gibt uns Mut, diese Glaubensgewissheit neu zu entwickeln und zu stärken. Es gibt uns den Mut, die Liebe Gottes im Herzen zu tragen und sie weiterzugeben.“

Quelle: PEK (sk)