Bischöfin Sarah Bullock im Gespräch Adventsbräuche und Weihnachten in England

Diese Broschüre (hier vor einem Lichterengel aus dem Erzgebirge) verteilte die Church of England im Advent.

Foto: Annette Klinkhardt

22.12.2023 · Schwerin. Sarah Ruth Bullock ist seit 2019 Bischöfin von Shrewsbury in der Diözese von Lichfield. Die Diözese ist eine der ältesten und größten der Church of England und liegt im Westen des Landes zwischen Birmingham und Wales. Annette Klinkhardt sprach mit der 59-Jährigen, die zunächst Lehrerin war, bevor sie Theologie studierte, über Adventsbräuche und Weihnachten in England.

Die Geschichte der Partnerschaft zwischen der Nordkirche und der Diözese Lichfield reicht zu verschiedenen Begegnungen, bei denen sogar ein deutsch-englisches Kirchenwörterbuch entstanden ist, in die Zeit vor 1989 zurück. 1999 wurde ein Partnerschaftsabkommen unterzeichnet – damals mit der mecklenburgischen Landeskirche, heute eine nordkirchliche Partnerschaft.

 

Herzstück der Partnerschaft sind die jährlichen Begegnungen Anticipating Advent (deutsch: ‚Erwartung des Advents‘), die jeweils am ersten Adventswochenende stattfinden – abwechselnd in Deutschland und England. Beim letzten Treffen wurde im Schweriner Dom ein Adventsgottesdienst gefeiert. Am Rande der Veranstaltung sprach Annette Klinkhardt mit Bischöfin Sarah Bullock:

 

Annette Klinkhardt: Sie sind mit einer kleinen Reisegruppe für vier Tage nach Mecklenburg gekommen, haben das Grenzhus in Schlagsdorf besichtigt, die Synagoge in Hagenow besucht und nehmen an verschiedenen Gottesdiensten teil.

 

Bischöfin Sarah Bullock: Wir treffen uns dieses Jahr bereits zum 20. Mal im Advent. Von Anfang an dabei ist Terry Bloor, der noch kein Anticipating Advent verpasst hat. Ich war das erste Mal vor vier Jahren hier und dann kam direkt Corona. Da haben wir online Advent gefeiert: Wir haben uns Stollen gekauft und aßen, feierten und beteten gemeinsam auf Zoom – die einen in Mecklenburg, die anderen in England.

 

Ich finde es beeindruckend, dass Advent in Deutschland auch für Menschen, die nichts mit Kirche zu tun haben, wichtig zu sein scheint. In den Straßen sieht man leuchtende Sterne und überall Adventskränze, das ist in England nicht so verbreitet. Die Kirchen sind schon mit Adventskränzen geschmückt, aber es gibt keine in Privatwohnungen oder als Dekoration auf der Straße.

 

Die Adventszeit ist für die Church of England sehr wichtig, als eine Zeit der Rückschau, um zu beten und gemeinsam in der Bibel zu lesen. Es gibt Bibelkreise, die sich nur im Advent treffen, das ist gute Tradition. Auch wenn es das ganze Jahr über keine Bibelgruppe gibt, dann im Advent. Außerdem gibt es natürlich spezielle Adventslieder. Das bekannteste dürfte ‚O come o come, Emmanuel‘ sein.

 

Wir kennen hier den „Lebendigen Adventskalender“. Menschen treffen sich an den 24 Tagen bis Weihnachten an Feuerstellen im Garten, in Privatwohnungen oder auch an öffentlichen Plätzen, um zu singen, eine Geschichte zu hören und ein Gebet zu sprechen.

 

Was ich zunehmend sehe in unseren Dörfern und Städten nennt sich Advent Windows Meeting: Verschiedene Geschäfte wie die Bäckerei oder die Apotheke gestalten ein Advenstürchen: Jeden Tag lädt ein anderes Geschäft ein, am Vormittag oder am Nachmittag, wie es gerade passt. In Shrewsbury, wo ich lebe, treffen sich Kundinnen, Verkäufer und alle, die mitfeiern wollen. Jemand aus der Kirchengemeinde liest eine Adventsgeschichte. Oft bitten die Geschäftsleute oder die Kunden um ein Gebet oder einen Segen für das Geschäft und alle, die da arbeiten. Danach trinken wir noch einen Kaffee. Menschen, die keine Kirchenmitglieder sind, erleben das mit. Das ist wirklich schön.

 

In Deutschland gibt es am 24. Dezember verschiedene Gottesdienste, etwa um 14:30 Uhr einen für Familien mit kleineren Kindern, um 17 Uhr eine Christvesper und um 22 Uhr die Christmette. Wie sieht das in England aus?

 

Viele Kirchen in England unterstützen ihre Schulen in den letzten Tage vor Weihnachten, etwa mit einem Mitmachgottesdienst in der Kirche oder einem Carol Service (Gottesdienst, bei dem Weihnachtslieder gesungen und biblische Texte gelesen werden). Das ist sehr verbreitet, dass Schulen mit einbezogen werden, auch viele Eltern kommen mit zu den Carol Services. 

 

Einmal habe ich als Bischöfin einen Weihnachtsgottesdienst in einem Viehstall gefeiert. Studenten der Landwirtschaft hatten sich als Maria und Joseph verkleidet und führten ein Krippenspiel auf. Das war fantastisch. Insgesamt gibt es eine riesige Spannbreite an Gottesdiensten in unserer Kirche in England.

 

In vielen Kirchen wird in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember ein Vorabendgottesdienst gefeiert. In allen Kirchen feiern wir am Weihnachtsmorgen (Anmerkung: In Großbritannien ist der 25. Dezember der Christmas Day, an dem es auch die Geschenke gibt).

 

In Greifswald werden an den Weihnachtstagen traditionell die sechs Teile des Weihnachtsoratoriums aufgeführt. Gibt es etwas Vergleichbares in England?

 

In den meisten Kirchen in England wird an Weihnachten der Messias von Händel gesungen. Danke für Händel! Bei uns ist es Tradition, dass Chöre nur für einen Weihnachtsgottesdienst zusammenkommen, um den Messias vorzutragen. Sie nennen es ein Scratch Choire (Anm: oder „Scratch Messiah“, „Sing-it-yourself-Messiah“), also ein Chor, der spontan zusammenkommt und ohne Proben den Messias aufführt. Das ist sehr verbreitet, sowohl in Dorfkirchen als auch in Kathedralen.

 

Was gefällt Ihnen als Bischöfin an Weihnachten am besten?

 

Ich bin jedes Weihnachten in einer anderen Kirche, die mich einlädt und liebe die Abwechslung: Wir haben über 600 Kirchen und 200 Gemeinden, vergleichbar mit Mecklenburg, so halte ich ganz verschiedene Gottesdienste in den Kirchen - je nachdem, was gefragt ist: Kindergottesdienste, Carol Services, Gottesdienste zum Mitmachen und Gottesdienste im Freien, da gibt es eine riesige Spannbreite.

 

Wie hier auch in kalten Kirchen?

 

Wir haben einige warme Kirchen in England, aber auch viele kalte. Aber viele Gottesdienste halten wir auch im Freien. Während Covid haben wir sogar die Weihnachtsmette draußen gefeiert. Wir standen da mit unseren Kerzen, und es war sehr, sehr kalt. Wir haben auch Carol Services um den Weihnachtsbaum.

Quelle: Bischofskanzlei Greifswald (ak)

Bericht der Diözese von Lichfield über den diesjährigen Austausch: https://www.lichfield.anglican.org/advent-anticipated.php