Kirchen- und Schulchroniken an Kirchenkreisarchiv übergeben Historische Schätze in Buchform
19.01.2023 · Greifswald. Rund zehn Jahre hat die Arbeit an der Transkription mehrerer Kirchen- und Schulchroniken aus dem Archivbestand der Kirchengemeinde Steinhagen, etwa zehn Kilometer südlich von Stralsund gelegen, in Anspruch genommen. Nun konnten dem pommerschen Kirchenkreisarchiv im Greifswalder Regionalzentrum insgesamt acht umfangreiche Bände übergeben werden.
Im Einzelnen handelt es sich dabei um das Protokoll einer Visitation und Revision in Steinhagen im Jahr 1780, um die Kirchenmatrikeln von 1780 und 1781, um die Schulchroniken Crummenhagen (1885-1939), Negast (1884-1940) und Steinhagen (1884-1918) sowie die Memorabilien der Steinhagener Pastoren von 1832 bis 1993 in zwei Bänden. Bei Letzteren handelt es sich um die jährlichen, tagebuchähnlichen Eintragungen der Pastorinnen und Pastoren. Der neunte Band, die Fortsetzung der Schulchronik Steinhagen von 1918 bis 1959, wird noch in diesem Quartal gedruckt. Darüber hinaus warten noch viele Dokumente aus der Zeit des 16. bis 18. Jahrhunderts auf eine Transkription.
Informationen aus wenig erforschtem Gebiet
Übergeben wurden die acht Bücher von den beiden Gründungsmitgliedern des Fördervereins Dorfkirche Steinhagen, Rudolf Kabiersch und Dietmar Eifler. Sie überreichten die Druckwerke an Kirchenkreisarchivarin Jana Holzberg im Beisein von Propst Dr. Tobias Sarx, dem geistlich-theologischen Leiter des Regionalzentrums, und von Kirchenkreisarchivmitarbeiter Dr. Arvid Hansmann. „Das ist ein wahrer Schatz, ich bin total begeistert“, freut sich Jana Holzberg. In dem Gebiet um Steinhagen sei bislang nicht viel geforscht worden, darum sei es von besonderer Bedeutung, dass es diese Transkriptionen nun gebe, so die Archivarin. Sie hoffe, dass andere Kirchengemeinden diesem Beispiel folgen werden oder zumindest einen ersten Schritt gehen und vorhandene historische Archivalien möglichst restaurieren lassen.
Zeugnisse für folgende Generationen erhalten
„Da steckt unheimlich viel Arbeit drin“, betont Dietmar Eifler, doch die sei es wert gewesen, damit diese wertvollen Zeugnisse der Vergangenheit für heutige und folgende Generationen erhalten bleiben. „Es geht schließlich um unseren Ursprung, um unsere Geschichte.“ Aber selbstverständlich brauche es für die Realisierung derartiger Vorhaben immer Geld und großes Engagement vor Ort. „Über den Strategiefonds der CDU-Landtagsfraktion konnte ich für die Transkription der Chroniken Fördermittel einwerben“, berichtet Dietmar Eifler. „Doch vor allem der aufwändigen Arbeit und dem Engagement von Rudolf Kabiersch ist es zu verdanken, dass wir die transkribierten Chroniken dem Kirchenkreisarchiv übergeben können.“
Aufwändige Entzifferung historischer Handschriften
Bereits als Jugendlicher habe er sich sehr für Geschichte interessiert, so Rudolf Kabiersch. Beruflich habe er zwar bei der Marine Karriere gemacht, doch begleitete ihn das historische Interesse sein Leben lang. Im Ruhestand fand er nun die Zeit, um sich diesem großen Projekt zu widmen. „Seitdem ich im Jahr 2012 Mitglied des Dorfvereins Steinhagen/Negast/Krummenhagen wurde, habe ich daran gearbeitet“, blickt er zurück. Die alte Sütterlin-Schrift lernte er noch in der Schule, dennoch waren die teils winzigen und individuellen Handschriften eine große Herausforderung. „Das war eine unheimliche Einzelarbeit, die immer wieder Korrekturen erforderte.“
Wertvolle Hilfe durch mehrere Unterstützende
Leser der Bände können sich von der akribischen Entzifferung selbst ein Bild machen, da zum Vergleich jeder Transkription ein Abdruck des Originals gegenübergestellt ist. Allein wäre dies alles kaum zu schaffen gewesen, verweist Rudolf Kabiersch auf mehrere Personen, die ihn unterstützten. Wertvolle Hilfe leisteten sein damaliger Nachbar, der ehemalige Mathematiklehrer Friedrich Düvel, der im Jahre 2020 verstorbene Dr. Heinz Lübbe, die ehemalige Leiterin des Schulbüros in Steinhagen, Ursel Tschernatsch, sowie Dr. Hans Jacobs aus Rösrath im Rheinisch-Bergischen Kreis, ein Nachfahre von Johann Arnd, Pastor in Steinhagen von 1657 bis 1680.
Unerwartete Details entdeckt
Die transkribierten Memorabilien findet Tobias Sarx faszinierend: „Diese sehr persönlichen Geschichten sind besonders spannend“, meint der Propst. „Jede Pastorin und jeder Pastor hat bis heute die Aufgabe, für jedes Jahr zu notieren, was die Menschen in der Kirchengemeinde in den jeweiligen Jahren bewegt hat.“ So entstehe dann eine einzigartige Form der Chronik, die mit den jetzt übergebenen Druckwerken außergewöhnliche Einblicke in die Vergangenheit gewähre. Und dabei handelt es sich bisweilen um unerwartete Details. So verrät Rudolf Kabiersch, dass neben den Berichten der Pastoren des 18. Jahrhunderts über beispielsweise Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen auch durchaus schon mal Frauen als Huren oder Vergewaltigte in den Kirchenregistern verzeichnet waren.
Einsicht nach vorheriger Terminabsprache
Zehnmal hat Rudolf Kabiersch die acht Bände drucken lassen, ab sofort steht ein kompletter Satz im Kirchenkreisarchiv, Karl-Marx-Platz 15, in Greifswald für Forschende und Interessierte zur Einsicht zur Verfügung. „Die Bände werden Teil der Handbibliothek und können während der üblichen Öffnungszeiten gelesen werden. Am besten ist es aber, sich vorher telefonisch bei mir zu melden und einen Termin zu vereinbaren“, empfiehlt Jana Holzberg. Eine Online-Version ist derzeit nicht vorgesehen. Das könne aber später noch nachgeholt werden, da sämtliche Inhalte digital gesichert vorliegen, so Rudolf Kabiersch. Die Kosten für das Projekt betrugen insgesamt rund 15.000 Euro, die nicht nur mittels des Strategiefonds finanziert wurden, sondern auch zu einem beträchtlichen Teil sowohl von der Gemeinde als auch von der Kirchengemeinde Steinhagen.
Weitere Informationen
Kirchenkreisarchivarin Jana Holzberg, E-Mail: kirchenkreisarchiv@pek.de, Tel.: 03834 8963122
Quelle: PEK (sk)