Rund 2500 Menschen feiern in Greifswald Kirchentag: "Nicht nur über Frieden geredet, sondern den Frieden erlebt"

Hunderte Menschen fassten an, als die Friedenstaube ausgebreitet wurde.

Foto: Paula Deusing

22.09.2024 · Greifswald. Mit einem bunten Gottesdienst auf dem gut besuchten Greifswalder Marktplatz ging gestern (21. September) Abend der Jubiläumskirchentag zu Ende: Unter dem Motto „Friede sei mit dir“ haben rund 2.500 Menschen gemeinsam gefeiert, gesungen, sich über Angebote der Kirche informiert und Gespräche über das Thema Frieden auf dem Roten Sofa verfolgt. Anlass war der 75. Geburtstag des Deutschen Evangelischen Kirchentags, dessen Wurzeln in Pommern liegen.

Höhepunkt war ein gemeinsames Friedenszeichen: Hunderte Menschen entrollten ein riesiges Transparent mit einer Friedenstaube. Mit dabei: Der Greifswalder Oberbürgermeister Stefan Fassbinder.

 

Rund 800 Menschen bei „Nacht der Lichter“ auf dem Markt

 

Das Jubiläumsfest startete Freitabend (20. September) mit einem Gottesdienst im illuminierten Dom. Für Stimmung sorgten bei der Abendserenade auf dem Markt die Posaunisten unter der Leitung des aus Argentinien stammenden Landesposaunenwarts Martin Huss. Unter freiem Himmel und bei aufgehendem Mond feierten rund 800 Menschen anschließend auf dem Marktplatz eine "Nacht der Lichter" mit Taizégesängen und Kerzen.

 

Gastgeber der Jubiläumsveranstaltung waren die Nordkirche, der Pommersche Evangelische Kirchenkreis und der Deutsche Evangelische Kirchentag.

 

Landesbischöfin: Friede ist liebevolles Miteinander von Menschen

 

Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt stellte in der morgendlichen Andacht am Samstag (21. September) bei strahlendem Sonnenschein den biblischen Bezug zum Thema des Kirchentags her: „Frieden, wie der christliche Glaube, wie die Bibel ihn sieht, ist zutiefst verbunden mit Recht und Gerechtigkeit, mit einem sicheren Wohnen unter Weinstock und Feigenbaum. Frieden ist also keine theoretische oder abstrakte Angelegenheit und schon gar keine Angelegenheit, die man nur in Verträge oder Abkommen schreibt. Frieden ist das gute, einander unterstützende, liebevolle Miteinander von Menschen unter Gottes weitem Himmel.“

 

Ministerin Martin: Kirchentage bieten Gespräch statt einfache Antworten

 

Die MV-Ministerin für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten Bettina Martin begrüßte die Kirchentagsgäste in Greifswald und sagte: „Wenn so schwierige Themen wie Friede auf den Tisch kommen, sehen wir, dass es gar nicht so leicht ist, miteinander zu sprechen. Der Ton wird rau, und es werden einfache Antworten angeboten, die es vermeintlich gibt. Deshalb brauchen wir solche Kirchentage wie hier in Greifswald: Räume, wo wir uns über schwierige Themen auseinandersetzen können, ohne dass wir auf den anderen zeigen in er Meinung, der habe unrecht und ich hätte recht. Manchmal ist die Wahrheit auch dazwischen.“

 

Zerschossener ukrainischer Krankenwagen lockt viele Interessierte

 

Plastisch illustrierte das Thema Krieg und Frieden ein ukrainischer Krankenwagen mit zerschossener Frontscheibe. Diese „Barwinka“ hat als Mahnmal bereits in verschiedenen Städten über Kriegsverbrechen in der Ukraine aufgeklärt und zog auch in Greifswald zahlreiche Interessierte an.

 

Auf dem für Kirchentage charakteristischen Roten Sofa diskutierten Bischof Tilman Jeremias und der gebürtige Greifswalder Friedrich Kramer, Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Dabei ging es auch um die Haltung der Kirche zu Waffenlieferungen in die Ukraine. Während Kramer ein kategorisches Nein dazu äußerte, machte Jeremias auf die zerschossene Barwinka aufmerksam und betonte, dass es für ihn keine einfache Antwort darauf gebe.

 

Bischof Jeremias: Beim Kirchentag Frieden erlebt

 

Der Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern fuhr fort: „Ich glaube, dass wir Frieden lernen sollten, und das bedeutet dieser Kirchentag auch für mich. Wir haben heute nicht nur über Frieden geredet, sondern Frieden hier erlebt haben auf dem Marktplatz – so, wie die Menschen miteinander umgegangen sind, miteinander geredet haben, auch Menschen unterschiedlicher Meinung, das hat Frieden ausgestrahlt“.

 

Kirchentagschefin: Wir müssen uns unsere Ost- und Westgeschichten erzählen

 

Im Abschlussgottesdienst predigte die Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags. Kristin Jahn betonte die Bedeutung, die dieser Jubiläumskirchentag als Brückenbauer zwischen der west- und ostdeutschen Tradition der Kirchentage gehabt hätte. Mit diesem Thema hatte sich im Rahmen des Kirchentagsjubiläums zwei Tage lang eine Fachtagung im Alfried Krupp Wissenschaftskolleg beschäftigt: „Wir brauchen Verständnis dafür, welche Erfahrungen Menschen im Osten und welche Erfahrungen Menschen im Westen gemacht haben. Kirche muss wieder die Herberge werden, die sie insbesondere in Ostdeutschland durch den Druck von außen gewesen ist, ein Dialograum. Es braucht nämlich meinen Mut, den anderen zu fragen, wie meinst du das, und den nicht vorschnell zu verurteilen.“

 

Co-Moderator Leif Tennemann: Friede hat etwas mit Humor zu tun

 

Moderiert wurde der Tag durch den NDR-Moderator Thomas Lenz und dessen Kollegen Leif Tennemann, bekannt durch seine Telefonstreiche im Radio. Tennemann bezeichnet sich selbst als „hoffnungsvollen Atheisten oder Heiden“: „Das Motto spricht mich absolut an. Friede verursache ich auch in meiner kleinen Arbeit, wenn Leute morgens lachen können und so in den Tag starten, haben sie auch ein friedvolles Gefühl. Friede hat auf jeden Fall etwas mit Humor zu tun.“

 

Der 39. Deutsche Evangelische Kirchentag wird im nächsten Jahr vom 30. April bis 4. Mai in Hannover gefeiert.

Quelle: Bischofskanzlei Greifswald (ak)


Der Jubiläumskirchentag in Bildern

(© Annette Klinkhardt 9, Andrè Gschweng 2, Paula Deusing 1)