Drei Fragen an Bischof Tilman Jeremias "Eine österliche Wende hieße Angst überwinden, Hoffnung verbreiten"

Foto: kirche-mv.de/D. Vogel
16.04.2025 · Greifswald. Ostern ist das älteste und wichtigste Fest der Christenheit. Es erinnert an die Mitte des christlichen Glaubens: Nach seinem Leiden und Sterben am Kreuz ist Jesus Christus von den Toten auferstanden. MV-Bischof Tilman Jeremias erzählt, welche Ostertraditionen er pflegt.
Welche persönlichen und familiären Ostertraditionen pflegen Sie?
Tilman Jeremias: Für mich gehört zu jedem Osterfest vor allem Zweierlei: Da ich die Karwoche über nichts esse, breche ich am Karsamstag mittags das Fasten, damit ich später das Osterfrühstück vertragen kann. Ein besonderer Moment, in dem der erste Biss in einen Apfel schon etwas Österliches hat!
Am Ostersonntag besuche oder gestalte ich eine Ostermette, die im Dunkel der Todesnacht beginnen sollte und in der es dann immer heller wird - durch mehr und mehr Kerzen und die Morgenröte. Die alten Gesänge erklingen, Taufe und Tauferinnerung werden gefeiert und beim Gloria steigt die Orgel wieder mit vollen Registern ein: „Christ ist erstanden!“ Das zeigt besonders dieser Gottesdienst, aber auch die blühende Pflanzenwelt und der Gesang der Vögel. An die Mette schließt sich das Osterfrühstück in fröhlicher Runde an.
Welche Tradition ist Ihnen besonders wichtig und warum?
Jeremias: Das Osterfest ist der Höhepunkt des Kirchenjahres, weil es die fundamentale christliche Botschaft zum Inhalt hat, dass die Macht des Todes gebrochen ist und Gott neues Leben schenkt. Dazu hilft alles, was diesen denkbar großen Umbruch zum Ausdruck bringt: Fasten und üppig essen, Dunkelheit und Licht, schweigende Glocken und volles Geläut, ein leergeräumter Altar und ein Altar in vollem Schmuck, eine schweigende Orgel an Karfreitag und alle Register gegen Ende der Ostermette.
Letztlich wollen auch die weiteren österlichen Symbole ja die Kraft des neuen Lebens transportieren - Osterwasser, Osterspaziergang, Ostereier oder Osterhase - für mich ist jedoch besonders wichtig, was den grundlegenden Gegensatz von Tod und Auferstehung bebildert.
Was wünschen Sie sich für die Gesellschaft im Blick auf Ostern?
Jeremias: Nach meiner Überzeugung sind wir gegenwärtig eine Gesellschaft, ja eine Welt im Todesmodus: Jeder gegen jeden, Krieg und Terror, kalte Machtpolitik, grenzenlose Aufrüstung, Misstrauen und Zukunftsangst, Ausbeutung der Schöpfung. Konjunktur haben politische Kräfte, die alles schlechtreden, die Schwächsten unter uns zu Sündenböcken machen und apokalyptische Zukunftsszenarien malen.
Eine österliche Wende, auch gesellschaftlich, hieße nichts weniger als eine komplette Umkehr vom Tod zum Leben: Wir lernen neu, einander zuzuhören, füreinander da zu sein. Die Menschen mit dem größten Unterstützungsbedarf sind der Maßstab politischen Handelns. Gemeinsam suchen wir Lösungen für eine Verbesserung des Lebens im Dorf und im Stadtteil. Die konziliaren Themen Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung sind Grundlage unseres Handelns. Wir überwinden die Angst und leben in glaubensgetränkter Zuversicht und verbreiten Hoffnung.
Quelle: epd