Vortrag von Edgar Wunder auf der mecklenburgischen Synode Empirischer Ausblick auf die Zukunft der Evangelischen Kirche 2050
Foto: kirche-mv.de/D. Vogel
22.03.2025 · Güstrow. Im Mittelpunkt der 4. Tagung der Kirchenkreissynode in Güstrow stand ein Vortrag zur 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung „Wie hältst du’s mit der Kirche?“ von Dr. Edgar Wunder vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD.
Ein Ergebnis der Studie: Es gibt hohe Reformerwartungen an die Kirche. Positiv ist: Mehr als drei Viertel aller evangelischen Kirchenmitglieder finden, dass die Reformen ihrer Kirche in die richtige Richtung gehen. Die Untersuchung analysiert Fragen wie: Welche Erwartungen gibt es heute an Kirche und würde weniger Kirchensteuer zu weniger Austritten führen? Die Ergebnisse der Studie sind spannend. Herausgekommen ist zum Beispiel, dass über alle Konfessionen hinweg eine große Zustimmung zur ökumenischen Orientierung und Zusammenarbeit zwischen den Kirchen herrscht. Außerdem erwarten sowohl Kirchenmitglieder als auch Konfessionslose von der Kirche ein soziales Engagement, das über den Bereich des Religiösen hinausgeht.
Dr. Edgar Wunder vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD konkretisierte in seinem Vortrag in Güstrow den Blick auf die „Zukunft unserer Kirche“, konkret, wie die Evangelische Kirche in Deutschland im Jahr 2050 aussehen werde. Klar sei auf jeden Fall, dass die Mitgliedszahlen sehr dynamisch abnehmen. Es gebe kaum einen Konfessionswechsel. Wer einmal aus seiner Kirche austritt, trete in der Regel der heute schon wachsenden Mehrheit der Konfessionslosen bei, weiß Soziologe Edgar Wunder. Nicht einmal die Freikirchen könnten vom Exodus aus den einstigen Volkskirchen profitieren. Der Anteil an Menschen in christlichen Religionsgemeinschaften ist im Jahr 2024 erstmalig unter 50 Prozent gesunken, rechnete er vor. Man könnte auch von „ererbter Zu- oder Nichtzugehörigkeit zur Religion“ sprechen. Zugleich, so Dr. Wunder: „Die Bindungsfähigkeit ist mittlerweile bei der evangelischen Kirche stärker als bei der Katholischen Kirche ausgeprägt.“ Die sei vor Jahren noch genau andersherum gewesen. Aktuell steige das Vertrauen in die Evangelische Kirche sogar leicht. „Somit gibt es derzeit keinen Vertrauensverlust in unserer Kirche.“
Aus den Untersuchungen lassen sich laut Edgar Wunder zudem vier Gruppen ausmachen: Kirchlich-Religiöse (13 Prozent), Alternativ-Religiöse (6 Prozent), Religiös-Distanzierte (25 Prozent) und Säkulare (56 Prozent). Klar erkennbar sei ebenso, dass Kirchlichkeit und Religiosität eng zusammenhängen. Insgesamt schwinde die Bedeutung religiöser Fragen, so dass auch die Kirchlichkeit geringer werde. Erstaunlich dennoch: „Der Osten Deutschland weist mittlerweile eine höhere Kirchenbindung und Religiosität unter evangelischen Kirchenmitglieder als der Westen der Bundesrepublik auf. Die kirchliche Situation im Osten stabilisiert sich, wogegen sich diese im Westen dramatisch ändert“, so Dr. Wunder.
Fest stehe darüber hinaus, dass die personale Begegnung auch in Kirchengemeinden einen großen Einfluss hat. Zum Beispiel habe der Konfirmanden- oder Religionsunterricht eine bereits größere Bedeutung für die kirchliche Sozialisation als die eigene Familie. Zudem: Die namentliche Bekanntheit der Pfarrpersonen im Dorf oder Stadtbezirk sinke nicht. Man weiß, wer für die Kirche steht und spricht. Gerade in den Gemeinden finde sich ein hohes Engagement von Ehrenamtlichen. Zudem: Kirchenmitglieder insgesamt sind in Deutschland deutlich mehr ehrenamtlich in der Gesellschaft engagiert.
Zum Schluss seinen Vortrages wagte Dr. Wunder einen Ausblick: „Im Jahr 2050 werden deutschlandweit noch 20 Prozent der Bevölkerung noch Kirchenmitglied sein – im Osten wird der Wert bei 10 Prozent liegen. Konfessionslose werden 70 Prozent der Bevölkerung ausmachen“, so der Soziologe. „Die Kirchensteuer existiert weiterhin, aber andere Einnahmequellen, die nicht mitgliederbasiert sind, werden immer wichtiger. Das Profil der Kirche wird weniger religiös bestimmt sein als heute. Ihre Bedeutung als zivilgesellschaftlicher Akteur zu gesellschaftlichen Problemen vielfältiger Art bleibt nach wie vor hoch.“ Ökumenische Zusammenarbeit und Arbeitsteilung, auch über Religionsgemeinschaften hinaus, sei weit stärker ausgeprägt als heute. Wenn es gut laufe im Sinne eines Erhalts sozialer Reichweite, so Dr. Wunder, werde die Zweiteilung „Mitglieder" gegen „Nicht-Mitglieder" zunehmend überwunden, d.h. auch Nicht-Mitglieder werden zunehmend in kirchliche Aktivitäten verwickelt.
Weitere Informationen und Bilder: 4. Tagung der III. Kirchenkreissynode
Quelle: ELKM (cme)