„Stadt, Land, Kirche - Zukunft in Mecklenburg“Einbringungsrede von Propst Siegert zum Beteiligungsprozess
Von Propst Dr. Karl-Matthias Siegert, Vorsitzender des Kirchenkreisrates
Liebe Schwestern und Brüder,
Die Kirchenkreissynode hat im Frühjahr 2014 beschlossen: „Die Synode bittet den Kirchenkreisrat sich mit dem Themenschwerpunkt ,Stadt, Land, Kirche – Zukunft in Mecklenburg‘ auseinanderzusetzen. Der Kirchenkreisrat wird gebeten, bis zum 15. September 2014 Vorschläge für Fragestellungen und Aufgaben zu machen, die im Zusammenhang mit dem Themenschwerpunkt der Bearbeitung, Beratung und Entscheidung bedürfen. Darüber hinaus wird der Kirchenkreisrat gebeten, Vorschläge für die Beteiligung (Wer soll wie beteiligt werden?) zu erarbeiten. (Zitat)" Die Ausschüsse der Synode wurden in diesem Beschluss aufgefordert aus ihrem jeweiligen Blickwinkel Problemstellungen zu diesem Thema beizutragen.
Eine Arbeitsgruppe wurde eingesetzt, um die die Ergebnisse zu sichten, zu sortieren und einen Vorschlag für das weitere Verfahren vorzulegen. Weiterhin - so der Beschluss der Synode - soll eine Gruppe vorgeschlagen werden, die den Prozess Stadt, Land Kirche - Zukunft in Mecklenburg in Gangsetzen und steuern soll.
Gemeindeausschuss, AFUG und Theologischer Ausschuss haben sich zu Wort gemeldet. „Der Gemeindeausschuss will sich in dem begonnenen Gesprächsprozess für eine Konzentration kirchlicher Arbeit auf lebendige Zentren einsetzen." Der AFUG spricht sich als erstes für eine differenzierte Wahrnehmung der Situation aus. Er stellt dann die Themen: Erprobungsregion, Migration, Kernaufgaben der Gemeinde heute sowie Gemeindeleitung im Miteinander von Haupt- und Ehrenamt als wichtig für den Diskussionsprozess in unserem Kirchenkreis heraus.
Der Theologische Ausschuss hat ein umfangreicheres Thesenpapier vorgelegt. Sein grundlegender Ansatz ist: Die „Wesensbestimmung von Kirche als Versammlung um Wort und Sakrament soll sich auch in ihren Strukturen und Organisationsformen wiederfinden." Von daher sei es ein Fehler, wenn als Hauptkriterien für zukünftige Struktur‐ und Stellenpläne allein „Anzahl der kirchlichen Gebäude, Anzahl der Gemeindeglieder, Anzahl der Einwohner“ festgelegt werden. Wie der AFUG fordert auch der Theologische Ausschuss eine Bestandsaufnahme: „Vor eine Diskussion der zukünftigen materiellen Strukturen gehört eine Bestandsaufnahme der geistlichen Gegenwart. Wie viele Sakramente und Kasualien werden in welchen Orten gefeiert? Wie viele Kinder, Jugendliche Erwachsene werden durch christlich pädagogische Angebote erreicht? In welcher Gemeinde finden diakonische Angebote statt? Auf welchen Wegen erreicht die Kirchenmusik welche Menschen? An welchen Orten finden sich seelsorgerliche Schwerpunkte wie Gefängnis, Krankenhaus, Pflegeeinrichtungen, Schulen, Flüchtlingsunterkünfte, usw. Eine Landkarte mit diesen Fragen und ähnlichen Fragen soll erstellt werden. (Zitat)“. Der Ausschuss warnt dann bei der Frage nach den Gemeinegliedern vor einer alleinigen Orientierung an denen, die in der Gemeinde ihren Hauptwohnsitz haben, schlägt dann vor, dass nur selten genutzte Gebäude in der Strukturplanung zu vernachlässigen seien, fordert die Stärkung des Ehrenamtes und gibt schließlich bei der Stellenplanung der Ortgemeinde deutlich den Vorzug vor übergemeindlichen Stellen.
Aus dem Kirchenkreisrat kam das Konzept zur PfarrGmeindeHaus-Planung, das ihnen als gesonderte Drucksache vorliegt und das Propst Schünemann ja schon erläutert hat. Außerdem bringt der Kirchenkreisrat das Thema Stellenplan Kriterien ein.
Des Weiteren hat uns folgendes beschäftigt: Damit wir uns im Kirchenkreis situationsspezifisch und situationsgerecht auf stellen können, ist die Situation in den Kirchengemeinden vor Ort, in den Diensten und Werken sowie den diakonischen Einrichtungen ebenso zu bedenken, wie die allgemeine demographische Entwicklung und die finanziellen Möglichkeiten der Kirchengemeinden und des Kirchenkreises. Die demographischen Prognosen lassen erwarten, dass sich die Bevölkerung in Mecklenburg bis 2030 deutlich weiterverringert. Die Bevölkerung wird sich danach auf einem wesentlich niedrigeren Niveau einpegeln. Das wird weitere Einschnitte für die Kirchenmitgliedschaft in Mecklenburg mit sich bringen. Es werden Ballungsräume (Rostock), gering bevölkerte (...) und ausgedünnten Regionen(...) entstehen. Wir dürfen auch nicht die Augen verschließen vor den drastischen Folgen die dies für die Entwicklung der Gemeindegliederzahlen hat. Im Jahr 2000 hat OKR Flade die Anzahl der Gemeindeglieder in Mecklenburg mit 235 000 angegeben. Aktuell sind es jetzt 183.344. Das sind in 14 Jahren 51. 656 Mitglieder weniger und jetzt 16,21% der Wohnbevölkerung. Und wir sind in Mecklenburg demographisch noch längst nicht über den Berg.
Die Experten sagen: Der größere demographische Einbruch liegt noch vor uns. Darauf muss unser Kirchenkreis konzeptionell reagieren. Dazu kommt. Die sinkenden Mitgliederzahlen wirken sich auf die Schlüsselzuweisung für den Kirchenkreis aus. Bei vorsichtiger Planung kann im Zeitraum bis 2020 daher von einem jährlichen Rückgang von 0,1% der Schlüsselzuweisungen für Mecklenburg ausgegangen werden. Den sinkenden Schlüsselzuweisungen stehen wachsende Personalkosten gegenüber. Bei gleichbleibendem Stellenplan wird für 2020 mit einer Steigerung um etwa 1,5 Millionen Euro gerechnet. 20% davon werden durch die Kirchengemeinden refinanziert.
Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass auf Grundlage der erwarteten Kirchensteuern und der vorsichtigen Planung des Landeskirchenamtes die sinkende Prozentzahl für den Kirchenkreis Mecklenburg insgesamt auch in den nächsten Jahren noch durch die Höhe der Zuweisung ausgeglichen wird. Hinzukommt die Außerordentliche Belastung vieler Kirchengemeinden und des Kirchenkreises durch die große Anzahl von meist denkmalgeschützten kirchlichen Gebäuden und zunehmend auch durch unrentable Friedhöfe.
Außerdem werden unser Kirchkreis und seine Diakonie zunehmend mit sozialen Verwerfungen und der Frage konfrontiert, wie sie sich für die Belange von Migranten und Flüchtlingen einsetzen wollen und können. Hier möchte ich Pastor J. Peter Drewes zitieren: „Nach dem Zweiten Weltkrieg ist der Zuzug von Flüchtlingen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten für viele Mecklenburgische Kirchengemeinden eine – nicht nur geistliche – Bereicherung gewesen. Wer sagt, dass das nicht heute genauso mit den Flüchtlingen aus anderen Teilen der Welt sein kann? Und denen, die sich Sorgen über den demographischen Wandel, die ,Vergreisung‘ der Bevölkerung und die Entvölkerung ganzer Landstriche machen, muss man sagen: Hier sind Menschen, die gern zuziehen möchten. Viele sind jung, sie können und möchten arbeiten. Sie haben Kinder. Und – im Unterschied zu vielen unserer deutschen Mitbürgerinnen – sind sie oft Christen .Also: Der Zuzug von Flüchtlingen stellt uns vor Probleme. Aber er löst auch Probleme- möglicherweise. Dem nachzuspüren könnte ein lohnendes Ziel für einen Konsultationsprozess sein."
Wir werden weiterhin das Miteinander von Haupt- und Ehrenamtlichen zu bedenken haben, um dem Auftrage und der Situation gerecht werden können. Schließlich ist zu überlegen, wie wir die bewährte mecklenburgische Tradition der Gemeinschaft der Dienste unter den Bedingungen der Nordkirche fortsetzen können.
Schwestern und Brüder, es ist kein Kleinglaube, wenn wir die Realität ernst nehmen. Wenn wir in die Zukunft gehen - sollten wir unser Gepäck erleichtern: Mühsame und lange Wege, bergauf oder bergab steinig oder sandig - hält man nur durch, wenn das Gepäck nicht zu schwer ist. - Das habe ich beim Pilgern gelernt. Wir müssen uns fragen, welches sind die Aufgaben, die wir haben und die wir mit unseren Kräften schaffen, und welche Gebäudelast wollen und können wir als Kirchenkreis tragen. Diese Frage stellen wir zuerst bei den Pfarrhäusern - aber wir werden auch bei unseren Kirchen nicht darum herumkommen sie zu stellen. Aber wir haben jetzt den Vorteil, dass wir in Ruhe überlegen und diskutieren können ohne unmittelbaren Finanzdruck: Das ist eine Entlastung und eine Chance. Und im Übrigen finde ich: Diakonie und Bildung sind wichtige Brückenköpfe für unsere Kirche zur Gesellschaft mit guten Möglichkeiten, Menschen in Kontakt mit der Kirche und vor allem ihrer Botschaft zu bringen.
Anhand der vorliegende Papiere, mit Hilfe und Zuarbeit von Mitarbeitenden des Zentrums Kirchlicher Dienste und nicht zuletzt durch eigene Überlegungen hat sich die Vorbereitungsgruppe für folgendes entschieden: Die Gruppe schlägt einen Prozess vor, durch den zwei Ziele erreicht werden sollen. Einmal soll die PfarrHausGemeinde-Planung abgeschlossen sein. Zum andern sollen die Kriterien für den Stellenplan feststehen.
Um diese beiden Ziele aber verantwortungsvoll zu erreichen, erscheint es uns wichtig und sinnvoll diese beiden konkreten Fragen im Zusammenhang mit den Themen zu diskutieren, die sie in der Beschlussvorlage im Text und auf dem Zeitplan als Stichworte finden - und die natürlich nicht abschließend gemeint sind - nämlich: Demographie, Finanzprognose, Kernaufgaben, Hauptamt -Ehrenamt, Zentrum-Fläche, Diakonie Migration. Solidarischer Finanzausgleich. Insgesamt kann sich ein zweistufiger Prozess ergeben kann: zunächst eine Beschäftigung mit den angegebenen Themen - komplett oder in Auswahl - mit den beiden konkreten Zielen im Hintergrund und dann die Beschäftigung mit den beiden "heißen Eisen" selbst.
Für den gesamten Prozess soll die Steuerungsgruppe das vorliegende inhaltlich Material so aufbereiten, dass es eine gute Gesprächsgrundlage für die entsprechenden Gremien und Veranstaltungen bildet. Diese Steuerungsgruppe ist wieder - wie die jetzige Vorbereitungsgruppe - so konstruiert, dass die drei Leitungsorgane des Kirchenkreises darin zusammenwirken: Synode, Kirchenkreisrat und Pröpste. Sinnvoll ist sicher auch, wenn die Leiterin der KKV oder ihr Stellvertreter beratend mitwirkt.
Bei der Beteiligung haben wir daran gedacht, dass wir die bereits bestehenden Gremien und Gruppen bitten und aufrufen, sich an diesem Prozess zu beteiligen: Kirchengemeinderäte, Kirchenältestentage, Konvente, Regionalversammlungen, Konvent der Dienste und Werke, Gremien der Jugendarbeit, Gremien des Diakonischen Werkes und seiner Mitglieder. Gemeindeberatung und ZK sind bereit auf Anfrage mit den entsprechenden Gremien Veranstaltungsformate zu entwickeln und zu gestalten. Für den 17. Oktober 2015 ist ein Mitarbeitertag geplant auf dem wir miteinander über diese Themen nachdenken wollen, also letztlich über die Frage, wie wollen wir in den kommenden Jahren Kirche in Mecklenburg sein. Das ist der Plan - für den ich um Zustimmung werbe und für dessen Umsetzung ihre Zustimmung zur Drucksache die Initialzündung ist.