Wahrnehmung von Populismus in den Gemeinden des Pommerschen Evangelischen Kirchenkreises

Einordnung des Ausschusses für Kirche und Gesellschaft

Oktober 2023

 

Zum Ende der II. Synode des Pommerschen Evangelischen Kirchenkreises (PEK) legt der Synodenausschuss für Kirche und Gesellschaft das Umfrageergebnis einer Studie zur „Wahrnehmung von Populismus in den Gemeinden des Pommerschen Evangelischen Kirchenkreises“ vor. Anlass war die Wahrnehmung, dass unsere Gesellschaft zunehmend polarisiert ist, in ihr verschiedene Meinungen und Überzeugungen unvermittelt und konfrontativ aufeinanderstoßen. Beispielhaft seien der Umgang mit den Geflüchteten 2015, der Corona-Pandemie und nunmehr auch mit dem Krieg in der Ukraine genannt. Es stellte sich die Frage, inwieweit Populismus, also eine gezielt verkürzende und interessengeleitete Sprachfindung für komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge dafür verantwortlich sei und ob der Kirche, ihren Gemeinden und Mitgliedern die gesellschaftliche Aufgabe zufällt, gezielt Raum für eine offene, differenzierte Gesprächskultur zu bieten.

 

Eine erste Einsicht bestand für den Ausschuss darin, dass der Begriff Populismus nicht klar definiert ist, sowohl unterschiedlich verstanden als auch unterschiedlich in der Gesellschaft verortet werden kann. Zugleich wurde deutlich, dass Kirche und Gemeinden selbst Teil der Gesellschaft sind und sich aktuelle Tendenzen auch in ihnen vielfältig wiederfinden und spiegeln.

 

Unter diesen Prämissen fiel die Entscheidung, mittels einer empirischen Erhebung herauszufinden, ob und inwieweit Populismus in der Gesellschaft und in der Kirche als ein das Zusammenleben gefährdendes Phänomen wahrgenommen wird und ob sich daraus handlungsleitende Einsichten gewinnen lassen. Zielgruppe der Befragung sollten Kirchenmitglieder und der Kirche nahestehende Personen sein. Für die Erstellung des Fragebogens wurde professionelle Unterstützung gesucht. Dankenswerterweise fand sich PD Dr. Anette Hiemisch, Institut für Psychologie der Universität Greifswald, dazu bereit. Auf der Basis von Interviews hat sie die Umfrage erarbeitet, auf eine Definition von Populismus wurde dabei verzichtet. Von Oktober 2022 bis Januar 2023 stand der Fragebogen online und in Papierform zur Beantwortung bereit. Anschließend wurde er von PD Dr. Anette Hiemisch ausgewertet. Die Ergebnisse liegen hiermit vor. Der Synode wurden sie auf ihrer Frühjahrstagung 2023 präsentiert

 

Das Ergebnis der Befragung von Kirchenmitgliedern ist heterogen, da ein breites Spektrum an Antwortmöglichkeiten besteht. Es zeigen sich hier keine eindeutigen Tendenzen in eine bestimmte Richtung. Populistische Meinungen lösen offenbar in der Kirche und in Kirchengemeinden keine nennenswerten Kontroversen oder Konflikte aus. Dabei ist bemerkenswert, dass Gegensätze innerhalb der Kirche als weniger spaltend und beängstigend wahrgenommen werden als in anderen Bereichen der Gesellschaft (s. Grafik). Das Ergebnis veranlasst den Ausschuss somit nicht zu weiteren Vorgehensweisen zum Thema Populismus in den Kirchengemeinden. Da Kirche und Kirchengemeinden trotz der Vielzahl der Meinungen zum Thema Populismus weniger oder nicht zu Spaltungen und Ausgrenzungen neigen, wäre immer wieder vor Ort zu überlegen, wie diese Erkenntnis nicht nur für Kirchengemeinden, sondern auch in gesellschaftlichen Bezügen fruchtbar gemacht werden könnte und wie Kirche und Kirchengemeinden in die Gesellschaft hinein integrierend wirken können. 

 

Eine Kurzzusammenfassung der Umfrage von PD Dr. Annette Hiemisch liegt bei. Als Mitglieder des Ausschuss Kirche und Gesellschaft danken wir der Synode für die Beauftragung zu dieser Untersuchung. Insbesondere danken wir PD Dr. Anette Hiemisch für ihre engagierte und im Wesentlichen ehrenamtlich geleistete Arbeit.

 

Wir hoffen, dass die hier vorliegende Studie in den Gemeinden, Kirchengemeinderäten und Konventen des Pommerschen Evangelischen Kirchenkreises zur Kenntnis genommen wird. Wir freuen uns, wenn sie lebendig diskutiert und als hilfreich erfahren wird, dem Phänomen des Populismus in seinen vielfältigen Formen konstruktiv zu begegnen.

 

Für den Ausschuss für Kirche und Gesellschaft                                               

Klaus Kupler

Kurzfassung Gemeindeumfrage von Anette Hiemisch

Wahrnehmung von Populismus in der Pommerschen Evangelischen Kirchengemeinde

 

Übergeordnete Fragestellungen des Projekts waren: (1) Wie wird Populismus in den pommerschen evangelischen Kirchengemeinden wahrgenommen? (2) Wie beeinflusst diese Wahrnehmung das Miteinander? 

 

In einem ersten Schritt wurden acht Interviews geführt. Ziel war es, den Befragten umfassend Raum zu geben, ihre persönlichen Sichtweisen und Erfahrungen in Bezug auf Populismus in der Kirchengemeinde darzustellen. Von den Befragten wurden sowohl positive (z.B. liefert notwendige Vereinfachungen) als auch negative (z.B. spaltet die Gesellschaft) Aspekte von Populismus benannt. Überwiegend wurde Populismus als eine Art Nichtdialog über wichtige Themen wahrgenommen, der sich negativ auf das gesellschaftliche Miteinander auswirkt und antidemokratische Entwicklungen in der Gesellschaft begünstigt. Die am häufigsten berichteten Empfindungen in Reaktion auf diesen Populismus waren Angst und Verunsicherung.

 

Auf Grundlage der Interviews wurde ein Fragebogen konzipiert. An der anschließenden Befragung haben überwiegend Mitglieder der evangelischen Kirche, die im Gemeindeleben aktiv sind, teilgenommen. Insgesamt flossen die Werte von 137 Personen im Alter von 16 bis 87 in die Auswertung ein.

 

Im ersten Schrittsollte der Begriff „Populismus“ offen erfragt werden, um unterschiedlichen Auffassungen Raum zu geben. Den Befragten wurden 17 Aussagen (z.B. „Das Ausmaß von Populismus in unserer Gesellschaft macht mir Angst“, „Die Diskussion über Populismus in unserer Gesellschaft ist übertrieben“, „Populismus liefert notwendige Vereinfachungen“) zum Thema Populismus präsentiert, denen sie auf einer fünf-stufigen Skala von 0 (= stimme gar nicht zu) bis 100 (= stimme voll zu) mehr oder weniger stark zustimmen konnten. In einem zweiten Schritt schätzten die Befragten alle Aussagen noch einmal in Bezug auf die Gemeinde ein (z.B. „Das Ausmaß von Populismus in unserer Gemeinde macht mir Angst“).

 

Die Befragten sehen Populismus in der Gesellschaft als relevantes Problem, das Ängste auslöst. Sie halten tendenziell die gesellschaftliche Debatte zum Thema Populismus für angemessen und stimmen positiven Aspekten von Populismus eher weniger zu. Gleichzeitig nehmen sie Populismus in der Kirchengemeinde tendenziell als weniger problematisch, relevant und verunsichernd wahr, halten jedoch trotzdem eine Diskussion über Populismus in der Kirchengemeinde nicht für übertrieben. Allerdings gibt es einen kleinen Teil von Befragten, der Populismus im Gemeindealltag als stärker ausgeprägt und problematischer bewertet.  

 

Für die weiteren Abfragen wurde der Begriff Populismus aufgrund der Beschreibungen in den Interviews stärker eingegrenzt und folgende Erläuterung präsentiert: „Die folgenden Fragen beziehen sich auf populistische Argumentationen. Solche Argumente sind oft verkürzt, nicht sachlich begründet und emotional aufgeladen. In der Debatte werden andere Meinungen nicht gleichwertig diskutiert, sondern abgewertet“.

 

Am häufigsten werden solche Argumentationen von den Befragten im Privaten wahrgenommen, also z.B. bei persönlichen Gesprächen oder bei kirchlichen Familienfeiern. Allerdings stimmen 21 Personen stark bis sehr stark zu, in kirchlichen Gremien und 19 Personen bei Gemeindeaktivitäten mit Populismus konfrontiert zu werden.

 

Abschließend wurden Auswirkungen auf das persönliche Verhalten erfragt. 50 Befragte stimmen stark bis sehr stark zu, dass sie in der Gemeinde alle Themen ansprechen. Gleichzeitig geben 39 Befragte stark bis sehr stark an, dass sie bestimmte Themen vermeiden, um keine populistischen Diskussionen auszulösen, 23 halten sich aus diesem Grund tendenziell mit Äußerungen zurück und 14 geben an, dass sie sich mit Äußerungen zurückhalten, um nicht in eine populistische Ecke gestellt zu werden.

 

Auch wenn sich aus den Angaben der Befragten Tendenzen ableiten lassen, sind die Antworten insgesamt auffallend heterogen. Das kann unterschiedliche Gründe haben. So können in Abhängigkeit von persönlichen Überzeugungen oder der persönlichen Interpretation christlicher Werte unterschiedliche Sensibilitäten für populistische Äußerungen entstehen. Ein weiterer Grund für die Heterogenität könnte darin liegen, dass Ausmaß und Inhalte populistischer Debatten zwischen den Kirchengemeinden variieren. Die verschiedenen Einschätzungen basieren dann nicht auf unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben, sondern vielmehr darauf, dass es objektiv Unterschiede bezüglich des Ausmaßes von Populismus in verschiedenen Kirchengemeinden gibt. Den Ergebnissen der Befragung können keine Hinweise darauf entnommen werden, welche der Erklärungen eher zutrifft. Für den weiteren Umgang mit Populismus in den Kirchengemeinden könnte es jedoch hilfreich sein, den Ursachen weiter nachzugehen.

Abschlussbericht von Anette Hiemisch zum Download
Beratung und Unterstützung im Kirchenkreis Pommern

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