Arbeitsgemeinschaft für pommersche Kirchengeschichte3. Studientag 2016: „Gesellschaft, Kirche und Frömmigkeit in Pommern am Vorabend der Reformation"
Am 12. März 2016 fand in Stralsund der 3. Studientag der Arbeitsgemeinschaft für pommersche Kirchengeschichte statt. Er stand unter dem Thema „Gesellschaft, Kirche und Frömmigkeit in Pommern am Vorabend der Reformation“.
Einleitend referierte Professor Werner Buchholz (Greifswald) anhand interessanter konkreter Beispiele über „Politische, soziale und kirchliche Gegebenheiten in Pommern zwischen 1470 und 1520“. Bereits in seinem Vortrag zeichneten sich zwei Fragestellungen ab, die sich durch die folgenden Beiträge und die Diskussionen wie ein roter Faden hindurch zogen: Wie weit war in der vorreformatorische Zeit bereits der Boden bereitet für die Reformation, die dann eher als ein Hinüberwachsen und weniger als ein vollständiger Traditionsabbruch zu verstehen ist – und wie ist die Frömmigkeitshaltung der Bürger zwischen Alltagsgestaltung und Glaubensleben zu verstehen?
An diese Überlegungen knüpfte Dr. Jürgen Geiß-Wunderlich (Mediävist der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek Berlin) in seinem Vortrag „Historische Bestände in pommerschen Bibliotheken als Spiegel vorreformatorischer Frömmigkeit“ an. Durch seine sehr intensive Kenntnis der Bestände vor allem in der Kirchenbibliothek St. Marien in Barth und der des Geistlichen Ministeriums Greifswald – um deren Sicherung und Erschließung Dr. Geiß-Wunderlich sich sehr verdient gemacht hat – konnte er ein vielschichtiges und differenziertes Bild vom Selbstverständnis von Klerikern und weltlichen Gelehrten jener Zeit vermitteln, von ihrer Kirchenkritik und einer lebendigen Frömmigkeit z. B. in Zeugnissen spätmittelalterlicher Frauenmystik.
Gerd Meyerhoff, Baubeauftragter der Nordkirche für Pommern, stellte danach „Vorreformatorische Kunst in Stralsunder Kirchen“ vor, die anschließend exemplarisch in der Nikolaikirche unter Führung von Dr. Sabine-Maria Weitzel (Autorin einer grundlegenden kunsthistorischen Monographie über die Stralsunder Nikolaikirche) besichtigt wurde. Sie hob immer wieder hervor, wie stark in der vorreformatorischen Zeit die Kirche ein Ort war, in dem gottesdienstliches Leben eng verbunden war mit dem Alltagsleben der hansestädtischen Bürgergesellschaft. Gerade diese Verbindung hat dazu beigetragen, dass bereits vor der Reformation eine Veränderung in der Praxis der Messfeiern einsetzte, die immer weniger als „opus operatum“ vom Priester vollzogen wurden, als „singende Messe“ immer mehr als Gottesdienst einer dazu versammelten Gemeinde.
In der abschließenden Diskussion wurde registriert, dass die an diesem Tag bedachten Quellen vor allem Einblicke in die vorreformatorische Lebenswirklichkeit eines städtischen und bürgerlichen Milieus vermittelte. Über das Selbst- und Weltverständnis der ländlichen Bevölkerung Pommerns vor der Reformation soll weiter nachgedacht werden.
Die Arbeitsgemeinschaft würde sich freuen, zu dieser und vielen anderen für die pommersche Kirchengeschichte wichtigen Fragen neue Interessenten und Mitglieder gewinnen zu können! Nähere und aktuelle Informationen kann man auf der Internetseite www.pommersche-kirchengeschichte-ag.de erhalten.
Christoph Ehricht, Vorsitzender